Andrea Mayr setzt einzigartige Karriere mit Silber fort – Favoritenstürze bei Maude Mathys und Joyce Njeru – DLV-Frauen überzeugen bei erster Berglauf- und Trail-WM in Thailand
Die ersten gemeinsam unter den Fittichen von World Athletics durchgeführten Berglauf- und Trail-Weltmeisterschaften der Running-Fachverbände WMRA (Mountain), IAU (Ultra) und ITRA (Trail) mussten Corona bedingt um ein Jahr verschoben werden und wurden nun als dreitägige Veranstaltung am ersten November-Wochenende mit einem Stell-dich-ein der weltbesten Berg- und Trailspezialisten in der thailändischen Millionenstadt Chiang Mai zu einem absoluten Erfolgsevent. Durch einen katastrophalen Fehler der Organisation wurden die als Mitfavoriten angesehenen Läufer aus Uganda anstelle zum Start ins hochgelegene Ziel Ban Khun Chang Khian gefahren, zementierten dann allerdings mit einer eindrucksvollen Medaillenpräsenz beim Up- and Downhill-Race der Männer, Frauen und männlichen U20 ihre Dominanz bei Welt-Titelkämpfen. Für die bei den zahlreichen Circuits im Berg- und Traillaufen vornehmlich in Europa laufenden Topathleten zeigte sich in manchen Fällen eine gewisse Müdigkeit beim finalen Jahres-Showdown. Dies galt freilich nicht für die vielfache Welt- und Europameisterin Andrea Mayr aus Österreich, die ihre einzigartige Karriere mit einer weiteren Silbermedaille fortsetzte und dabei keine Geringere als die Schweizer Dauerrivalin Maude Mathys bezwingen konnte.
Der Auftakt der dreitägigen WM-Premiere im Berg- und Traillaufen hätte nicht spektakulärer sein können, denn beim Uphill-Berglauf über 8,5 km und 1065 Höhenmetern fehlten die allseits mitfavorisierten Läufer aus Uganda wegen eines Fauxpas der Organisation, sodass der Weg für die beiden Kenianer Patrick Kipngeno und Philemon Kiriago frei war. Mit 46:51 Minuten lief der Valsir Mountain Running World-Cup-Sieger Kipngeno als überlegener Sieger ins Ziel, gefolgt von seinem Landsmann Kiriago (48:24). Hinter dem Spanier Alejandro Garcia Carrillo (49:03) überraschte der Schweizer Joey Hadorn mit einem überzeugenden Auftritt und Rang vier in 49:09 Minuten vor dem Iren Zak Hanna (49:32), dem früheren Weltmeister Joseph Gray und Cesare Maestri, der zwar die Einzelmedaille verpasste, aber mit Italien mit 32 Punkten das erste Teamgold seit 2015 holte – vor der Schweiz (34) und Spanien (37).
Fünf Tage nach ihrem Start bei den Golden Trail Series Finals gewann die Langdistanz-Weltmeisterin von 2014 Allie McLaughlin (USA) überraschend die Berglauf-Kurzdistanz gegen die angesagtesten Topstars über diese Distanz. Die überlegen die World-Cup-Serie gewinnende Joyce Muthoni Njeru (Kenia) spielte im finalen Showdown als 35. (!) keine Rolle, allerdings hatte sich die Kenianerin offenbar verletzt, denn sie lief humpelnd ins Ziel. Die 43jährige Österreicherin Andrea Mayr holte in Chiang Mai ihre zehnte Individualmedaille bei Weltmeisterschaften seit 2004 und lag bei einem Rückstand auf von 26 Sekunden knapp, aber sicher vor ihrer Dauerrivalin Maude Mathys (56:00). In einem starken Starterfeld lief die für LAV Stadtwerke Tübingen startende Hanna Gröber an ihrem 26. Geburtstag nach 59:27 Minuten auf Rang zehn und lag dabei noch vor namhaften Athletinnen wie Scout Adkin (11/ 59:47) und Judith Wyder ((13./ 1:00:14). Die USA gewannen Mannschaftsgold mit 39 Punkten vor den mit 41 Zählern punktgleichen Groß-Britannien und Schweiz.
Am Schlusstag führte die Medaillenvergabe auf den Bergauf-Bergab-Strecken bis auf die U20-Girls nur über die Starter aus Uganda. Und diese liefen wie entfesselt dem Feld vorweg. Bei den Junioren (6 km/ HD +-225 m) lagen gleich vier Läufer in Front, angeführt von Leonard Chemutai (21:07). Auf Rang fünf folgte mit dem Briten Finlay Grant nach 23:26 Minuten der schnellste Nicht-Afrikaner, der noch bei den Europameisterschaften Bronze gewonnen hatte, während der EM-Titelträger Elia Matteo nur Elfter wurde. Bei den Männern rang über 10,7 km und 475 Höhenmetern Samuel Kibet aus Uganda den Bergauf-Weltmeister Patrick Kipngeno in 40:02 zu 40:12 Minuten nieder. Dahinter folgten gleich drei weitere Läufer aus Uganda, als Sechster lief der spanische Sierre-Zinal-Sieger Andrea Blanes Reig ins Ziel.
Bei den Frauen sah es zunächst auch nach einem dreifachen Uganda-Erfolg durch Rispa Cherop, Rebecca Cheptegei und Annet Chelangat aus, die sich zusammen mit der Bergauf-Weltmeisterin Allie McLaughlin vom Start weg an die Spitze gesetzt hatten. Während Rebecca Cheptegei (46:25) mit hohem Tempo dem Ziel mit Annet Chelangat (46:52) im Schlepp entgegenstürmte, war Rispa Cherop schon längst nicht mehr im Rennen und damit auch das Aus für Uganda-Gold bei den Frauen. McLaughlin holte mit Rang drei eine weitere Medaille (48:31), gefolgt von der Rumänin Monica Florea (49:12), die damit gleich zweimal knapp an einer Einzelmedaille vorbeilief. Hinter der Britin Scout Adkin (50:19) kam überraschend die Schweizerin Judith Wyder (50:36) als Sechste ein, die damit den Grundstock für die nicht minder überraschende Goldmedaille für die Eidgenössinnen legte. Und auf Platz sieben – und das ist nicht minder überraschend – folgte mit Hanna Gröber die einzige deutsche Starterin im Berglaufbereich! Vier Wochen nach der Vizemeisterschaft bei den Deutschen Berglaufmeisterschaften und einem deutlichen Rückstand auf Laura Hottenrott ist die Immunologin mit Arbeitsort Zürich in vorzüglicher Verfassung nach Thailand gereist, hatte sich mit der Schweizer Mannschaft die Streckenabschnitte im Vorfeld anschauen können – und nun mit zwei Top 10-Platzierungen belohnt worden. Hanna lag mit ihrer Platzierung sogar vor Maude Mathys, die nicht über einen sicherlich enttäuschenden dreizehnten Rang hinauskam. Da wird das gewonnene Teamgold nur ein schwacher Trost sein.
Am zweiten Tag der WM standen die Trail-Wettbewerbe über Short mit 38 km/ HD 2425 m bzw Long mit 78 km/ 4807 m auf dem Programm. Auf der Kurzdistanz bildete sich ein Führungsquartett mit den beiden früheren Long-distance- bzw. Trail-Weltmeistern Francesco Puppi (Italien) und Jonathan Albon (Groß-Britannien), dem zweifachen Gold-Trail-Series-Sieger und Sky-Weltmeister Stian Angermund aus Norwegen und dem starken US-Läufer Max King. Nach einem spannenden Rennverlauf durfte sich Stian Angermund nach 3:08:29 Stunden als Weltmeister feiern lassen, Francesco Puppi folgte drei Minuten dahinter auf dem Silberrang vor Jonathan Albon. Bei den Frauen setzte sich die Rumänin Denisa Dragomir in 3:49:22 und zwei Minuten Vorsprung vor Barbora Macurova (Tschechien) durch. Die Mannschaftswertungen sicherten sich Italien (Männer) und Spanien (Frauen) mit jeweils komfortablem Vorsprung.
Beim Ultratrail ging der Sieg an den in dieser Disziplin noch ungeschlagenen (!) US-Läufer Adam Peterman, der die 78 km-Herausforderung mit Bravour und einem 13-Minuten-Vorsprung nach 7:15:53 Stunden beendete. Hinter dem Franzosen Nicolas Martin (7:28:44) überraschte der Südtiroler Andreas Reiterer (7:36:50) mit dem Bronzerang. Zum Ende eines startfreudigen Jahres belegte Benedikt Hoffmann mit einer Endzeit von 8:07:16 Stunden Rang 18 unter exakt 100 Finishern.
Spannend ging es bei den Frauen zu. Die lange Zeit führende Schwedin Ida Nilsson verlor ihren komfortablen Vorsprung beim über 1000 Höhenmeter führenden Aufstieg zum Uphill-Ziel Ban Khun Chang Khian an die Trail-Titelverteidigerin Blandine L‘Hirondel, die ihren Vorsprung kontinuierlich bis zum Ziel bei einer Siegerzeit von 8:22:14 Stunden auf zwölf Minuten auf die Schwedin ausbauen konnte. Hinter der Spanierin Gemma Arenas (8:46:27) rückten final zwei Läuferinnen auf die Plätze vier und fünf vor, die nach dem ersten Anstieg noch auf den Plätzen 17 bzw 30 rangierten: Eszter Csilliag aus Ungarn und Rosanna Buchauer vom TSV Ruhpolding. Der früheren Eisschnellläuferin gelang bei ihrem ersten Start im Nationaltrikot ein Traumergebnis und sie sorgte mit Rang fünf für ein überaus positives Abschneiden der dreiköpfigen deutschen Mannschaft mit den drei Top 10-Resultaten.
Die zweiten World Mountain and Trail Running Championships finden vom 6. bis 10. Juni in Innsbruck und im Stubaital statt.