Viel Lob gab es unter den besonderen Corona- Abstands- und Hygienebestimmungen für den PSV Grün-Weiß Kassel für die Ausrichtung der Hessischen Berglauf-Meisterschaften, die aufgrund der behördlichen Auflagen den Herkules-Berglauf mit 191 Startern und die Hessischen Meisterschaften mit 134 Teilnehmern als Vormittags- und Nachmittagsprogramm erfolgreich getrennt hatten. Und hatten zudem das Wetterglück auf ihrer Seite, denn der angekündigte Dauerregen mit Temperaturen um 10° C setzte erst zum Ende der Titelkämpfe ein. Die abschließende Siegerehrung wurde dann kurzerhand in die Mini-Turnhalle der Reformschule Wilhelmshöhe verlegt.
„Natürlich hatten wir noch Glück mit dem Wetter“, gestand PSV-Abteilungsleiter Leichtathletik Thomas Hahn, „was für uns vor allem wichtig war, nämlich dass sich alle Teilnehmer und Betreuer sehr diszipliniert verhalten haben!“ und Gerwin Degen, der Sportwart des Vereins und zugleich für die Streckenführung verantwortlich, ergänzte: „Wir sind vor allem stolz darauf, dass wir es überhaupt geschafft haben, diese Doppelveranstaltung mit Hessischen Meisterschaften und Offenem Lauf durchzuführen. Schließlich wussten wir bis Ende August noch nicht, wie und wo….!“
Bis allerdings der Startschuss auf den gepflegten Anlagen des Schloss Wilhelmshöhe erfolgen konnte, hatten die Verantwortlichen des Polizeisportvereins viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Behörden und Landesverband mussten von einem vielseitigen Konzept überzeugt werden, sodass im August letztlich erst die finale Genehmigung vorlag. 16 Startwellen (mit jeweils 10 Läufern) mit einem Abstand von einer Minute, Mund-/Nasenschutz im Areal der Startnummern-Ausgabe, vor dem Eintritt in die Startzone und nach dem Zieleinlauf, bei der Siegerehrung, zudem ausgefüllte Erklärung für eine eventuelle Nachverfolgung – diese Meisterschaft darf durchaus als gelungen gelten und Mut und Zuversicht anderen Veranstaltern geben, dass selbst in dieser schwierigen Phase mit einer klaren Konzeption der Organisation sowie unbedingten Disziplin aller Beteiligten vieles machbar ist.
In 16 Wellen wurden die Meisterschaftsstarter auf die, nach einer kurzfristigen Streckenänderung am Freitagabend, da ein umgestürzter Baum nicht mehr beseitigt werden konnte, nunmehr 7,9 km langen Strecke mit 333 Höhenmetern zum Herkules-Monument hoch über Kassel geschickt. Gerwin Degen und Mitstreiter hatten bis gegen 20.00 Uhr am Vorabend noch die Ausweichstrecke wettkampftauglich gemacht.
Tagesschnellster bei diesem ungewohnten Startprocedere war dabei der Vorjahresmeister Philipp Stuckhardt, der den Parcours nach 29:25 Minuten beendete. „Es ist schon ein komisches Gefühl, als Erster ins Ziel einzulaufen und nicht zu wissen, ob es auch zum Sieg reichen würde“, kommentierte der für das Laufteam Kassel startende 29jährige. „Vor der Strecke hatte ich Respekt, denn ich muss ehrlich zugeben, ich kannte keinen einzigen Meter davon!“ 42 Sekunden dahinter kam aus der ersten Startwelle ins Rennen gegangene Robert Meier (LG Wettenberg) ins Ziel – und sollte Vizemeister werden. Die Spannung blieb praktisch bis zum letzten Zieleinlauf, denn die erst 12 Startwellen dahinter gestarteten Talente des SSC Hanau-Rodenbach wie die U20-Nationalmannschaftsläufer Julius Hild (Dritter) oder der deutsche U20-Meister Dominik Müller (Fünfter) erreichten mit 30:46 und 31:09 Minuten die Zeitvorgabe von Philipp Stuckhardt nicht mehr ganz. Dieser hatte sich für die abgespeckte Saison 2020 vor allem die Verbesserung auf Flachstrecken vorgenommen, was ihm mit einer umfassenden Palette neuer Bestzeiten (8:27 über 30:54 bis hin zu 1:07:59 auf 3000 m, 10 km und Halbmarathon) auch gelang. „Berge sind schon mein Ding, allerdings ohne weitere Verbesserungen auf den Flachstrecken brauche ich keine Ansprüche beim Berglauf anmelden!“
Traditionell sind die besten Mastersläufer beim Berglauf topplatziert. So wurde Routinier Andrew Listen als M40-Sieger Sechster, dicht gefolgt von seinem Altersgenossen Felix Kaiser (Achter), schon auf Rang elf der Gesamtwertung ist mit Christoph Bergmann der M45-Sieger platziert.
Eine ähnliche Konstellation wie schon für die Männer erkannt, gab es bei den Frauen: Anna Starostzik (Spiridon Frankfurt) startete in der dritten, die mit exzellenten „Flachzeiten“ bislang für Furore sorgende Berglauf-Novizin Sandra Morchner (Laufteam Kassel) sogar in der zweiten Startwelle, die deutsche W40-Meisterin Simone Raatz (ASC Darmstadt) beispielsweise hingegen in der elften Startwelle. Nach 34:26 Minuten war die Spiridon-Läuferin mit Wohnsitz Kassel im Ziel und mußte entsprechend lange warten, bis ihr Sieg feststand. Während Sandra Morchner bereits nach kaum mehr als zwei Kilometern nach einem Sturz ausgeschieden war, erreichte Simone Raatz nach 35:11 Minuten das Ziel und wurde nach ihrem Sieg 2018 diesmal Vizemeisterin. „Ich habe versucht, aus dieser Situation das Beste zu machen und hatte vor allem Glück mit meiner Startgruppe“, so Anna Starostzik. Und Simone Raatz gewann dieser neuen Startvariante nur Positives ab: „Ich fand es cool, zu dieser Aufholjagd zu starten. Natürlich waren die Wege auch breit genug, um gefahrlos überholen zu können. Allerdings fehlt die Orientierung bei dieser Art von Jagdrennen, sodass man nicht am Limit laufen kann!“ Die zum MTV Kronberg gewechselte Katharina Rach holte sich mit 35:42 Rang drei. Neben Simone Raatz überzeugte von den Mastersläuferinnen vor allem noch Susanne Heimbach, die mit 38:10 Minuten nicht nur die W45 gewinnen konnte, sondern auch den Sprung als Neunte unter die Top 10 schaffte.
Die Mannschaftstitel gingen erwartungsgemäß bei den Frauen an den ASC Darmstadt mit sieben Minuten Vorsprung vor der LG Wettenberg, während bei den Männern das einheimische Laufteam Kassel von Trainer Winfried Aufenanger, die übrigens mit 24 (!) Meldungen das größte Kontingent aller Vereine stellten, im spannenden Duell mit der LG Wettenberg mit knapp zwei Minuten Differenz vorne lag.
Gewiss gab es einige zum Teil heftig geführte Diskussionen über die Streichung der Masterskategorien M/W 60 und älter, die nach Auffassung des hessischen Verbandspräsidiums zur Risikogruppe zu zählen sei und aus Fürsorgegründen aus dem Wettbewerbsprogramm genommen wurden. Wer allerdings die Altersverteilung der aktuell Infizierten betrachtet, der wird zu anderen Ergebnissen kommen. Hessens Laufwart Jochen Miersch zeigte sich mit der Beteiligung sehr zufrieden, wenngleich er zugeben mußte: „Über Modalitäten lässt sich streiten. Über das eine oder andere wird man sicherlich nachdenken müssen“. Und streckte den Kritikern die Hand zum Nachbessern. Schließlich werden wir gewiss noch so manche Laufveranstaltungen unter besonderen Bedingungen durchführen müssen, denn Normalität ist längst nicht in Sicht.
Wenngleich diese betroffenen Masters durch diese restriktive (Startzulassungs-)Maßnahme in das Vormittagsprogramm „verbannt“ wurden, flotte Masters wurden dennoch genügend gesichtet. So konnte die Ergebnisliste gleich 15 M60er, 4 M70er und sogar einen M80er verzeichnen, bei den Frauen war das Interesse mit zwei W60erinnen erheblich geringer.
Zur Morgenstunde gingen insgesamt 191 LäuferInnen den Sturm auf den Herkules an den Start und diese kamen neben den lokalen Einzugsorten auch von weither, so aus Braunschweig, Bielefeld, Bad Ems, Dortmund und Essingen. Der Sieger ist in der regionalen Pfälzer Laufszene trotz gerade einmal seinen 19 Jahren eine „Größe“, Leander Fink startet für den TV Alzey und stürmte zum Herkules in 31:48 Minuten hinauf.