Andrea Mayr gewinnt mit Streckenrekord
Kenianer Geoffrey Gikuni Ndungu schlägt Petro Mamo – Viktor Röthlin gelingt überzeugendes Debüt beim „schönsten Marathon der Welt“ – 4500 Läufer aus 60 Nationen laufen bei idealem Laufwetter vor majestätischem Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau
Die Weltbesten waren am Start, Beleg für den außergewöhnlichen Stellenwert des Jungfrau-Marathon von Interlaken zur Kleinen Scheidegg, der in vielfältiger Weise als der schönste Marathon der Welt bezeichnet wird. Und die wetlbeste Bergläuferin, die vierfache Weltmeisterin Andrea Mayr (Österreich), zeigte sich auch auf der Langdistanz überlegen – und gewann in der neuen Streckenbestzeit von 3:20:20 Stunden, womit die Ärztin aus Gmunden die 12 Jahre alte Bestmarke der Schweizerin Marie-Luce Romanens aus dem Jahr 2001 um vierzig Sekunden steigern konnte. Bei den Männern gab der Marathon-Europameister Viktor Röthlin (Schweiz) ein vielbeachtetes Debüt über die Marathondistanz mit allerdings 1839 m bergauf und 305 m bergab, lag aber im bislang schnellsten Rennen der Geschichte des Jungfrau-Marathon nach 2:53:21 Stunden hinter dem Kenianer Geoffrey Gikuni Ndungu (2:50:28) und dem Berglauf-Weltmeister Petro Mamo (Eritrea/ 2:52:49).
„Bei der Streckenbesichtigung auf der Moräne war ich emotional überwältigt, aber im Rennen habe ich von dieser Kulisse nichts mitbekommen. Aber wenn man gewinnt, ist dies um so schöner und kann jetzt jeden Moment genießen“, zeigte sich Andrea Mayr im Ziel außer sich vor Freude. Die 35jährige Ärztin hatte sich zwei Ziele vorgenommen – und diese in einer Punktlandung par excellance auch erreicht. Einmal die 21. Auflage des Jungfrau-Marathon gegen so starke Konkurrenz wie die Langdistanz-Weltmeisterin Stevie Kremer (USA), die Französin Aline Camboulives, die Berglauf-Europameisterin Martina Strähl (Schweiz), die beiden starken Italienerinnen Elisa Desco und Ivana Iozzia sowie die Vize-Weltmeisterin und Landsfrau Sabine Reiner.
„Wenn ich noch einmal wiederkommen würde, wäre mein Anfangstempo eine bis zwei Minuten langsamer. Dann hätte ich auch noch die letzten drei Kilometer mehr Kraft und können das Finale genießen“, so Andrea Mayr, die neben Berglauf und Marathon (Bestzeit 2:30:43) auch alles andere kann wie 3000 m Hindernis, Cross und auch Radrennen, denn im Juli wurde sie einmal mehr Staatsmeisterin im Bergzeitfahren.
Und für dieses flotte Anfangstempo sorgte Aline Camboulives, die Jungfrau-Siegerin 2011 und WM-Vierte 2012. Noch in Lauterbrunnen (nach 21 km) lag die Französin eine Minute vor einer Dreiergruppe, zu der neben Andrea Mayr auch die WM-Zweite Sabine Reiner und die Marathon-Debütantin Martina Strähl gehörte. „Ich liebe eher die technisch anspruchsvolleren Strecken wie bei Sierre-Zinal“, so der frühere Radprofi. „Nach 34 km bin ich in ein regelrechtes Loch gefallen. Andrea ist an mir vorbei geflogen, da hatte ich keine Chance!“ Martina Strähl lief mit Bravour ihren ersten Marathonlauf auf Rang drei, noch vor Sabine Reiner und Stevie Kremer. Die in Bad Soden geborene US-Läuferin gab frank und frei im Ziel zu: „Das war heute nicht mein Tag. Ich habe unterwegs viel getrunken und gegessen, aber laufen konnte ich heute nicht!“ Es mag ein schwacher Trost für die 29jährige Lehrerin sein, dass sie den schnellsten Schlussabschnitt laufen konnte, aber zu diesem Zeitpunkt war der Rückstand auf Andrea Mayr bereits mehr als sechs Minuten groß geworden.
Eine Fünfergruppe mit dem in letzter Minute von Rennleiter Richard Umberg noch verpflichteten Berglauf- Weltmeister Petro Mamo, dem mit 2:08:42 auf Rang drei beim Wien-Marathon überzeugenden Geoffrey Gikuni Ndungu und dessen kenianischen Landsleuten Hosea Tuei und Paul Maticha Michieka und Viktor Röthlin bestimmte vom Start weg das Tempo und sorgte für einen überaus spannenden Rennverlauf. In Wengen wirkte der heuer von Sieg zu Sieg eilende Bergspezialist Momo schon wie der Sieger der 21. Auflage des Jungfrau- Marathon, doch wenig später musste er seinem forschen Tempo Tribut zollen und Ndungu zog unaufhörlich auf und davon. „Ich bin natürlich sehr glücklich, aber es war sehr hart. Das war heute kein Spaß mehr!“ gestand der 30jährige, der zum Team von run2gether mit Basisstation in Österreich gehört. Und Viktor Röthlin? Der Schweizer hatte im Vorfeld mit einer Endzeit von 2:55 geliebäugelt – und lief am Ende eine blitzsaubere 2:53:21. „Ich bin natürlich sehr zufrieden. Aber leider waren zwei schneller. Und das begleitet mich meine ganze Karriere lang. Wenn du bei 36 km gleich eine Minute auf die Spitze verlierst, dann musst du das auch erst einmal wegstecken!“ Und gab allen Spekulationen für eine Fortsetzung seiner Karriere als Bergläufer eine klare Absage: „Einmal – und nie wieder!“ Und das ist dem 38jährigen Laufprofi wirklich abzunehmen.
In die Phalanx der Afrikaner stieß mit sichtlicher Freude der Tscheche Robert Krupicka als Vierter ein. Auf Rang sieben mit Eric Blake ein US-Läufer vor Mustafa Shaban (Bulgarien), ehe mit Gerd Frick und Hannes Runnger zwei Südtiroler das starke Spitzenfeld abrundeten.
Unter den 4749 Teilnehmern waren übrigens 774 Deutsche verzeichnet, was einen Anteil von 16,3 Prozent bedeutet. In der Ergebnisliste sucht man freilich vergeblich nach deutschen Läufern unter den Top-Platzierungen. Waren es im Vorjahr, nicht zuletzt wegen der zugleich ausgetragenen Langdistanz-Weltmeisterschaften mit Marco Sturm (10.) und Stefanie Rexhäuser (15.) zwei Deutsche, die sich im internationalen Feld zu behaupten wussten, ist die Situation in diesen Jahr eine ungleich andere, nicht zuletzt auch einer anderen Saisonplanung geschuldet. Bei den Frauen war im merklich schwächeren Mittelfeld zumindest mit Claudia Kahl (Meiringen) und Cordula Albracht (Welver) auf den Rämngen 18 und 19 zwei deutsche Läuferinnen verzeichnet. Fehlanzeige hingegen bei den Männern: Mit Matthias Kremers aus Augsburg landete der beste deutsche Starter auf Rang 47, glatt fünfzig Minuten hinter dem siegreichen Kenianer Geoffrey Gikuni Ndungu.