Trails in einer Welt mit intakter Natur

Der Swiss Irontrail ist ein bezauberndes Kleinod unter den Trailevents und interessanten Gesprächspartnern auf den Podestplätzen

„Beyond the Limit“ hat auch bei der zweiten Auflage des (neuen) Swiss Irontrail in Val Surses seine absolute Berechtigung.  Dies mag natürlich zuerst für die T105-Starter über 104,5 km und +/-6.712 Höhenmeter mit Start und Ziel in Savognin, das für einen Tag das Trailmekka im Graubündner Land war. Limit für dieses Lauf-Abenteuer 30 Stunden, dazwischen die etwas mehr 100 Kilometer und die aufsummierte Höhendifferenz von 6700 m. „Es hatte etwas mystisches“, gestand Michael Furrer, der mit 13:39:38 Stunden allerdings eine Top-Vorstellung mit seinem Start-Ziel-Sieg gab, „wenn in den Morgenstunden dichter Nebel über dem Tal lag!“ Der 39jährige Ingenieur aus der Nähe von Zürich ist allerdings ein Spezialist für ultralange Trails. Vor vier Wochen noch absolvierte er den Swiss Canyon Trail im Schweizer Jura über 112 Kilometer – und hat gewiss treffende Vergleiche parat. „Der Swiss Canyon Trail ist natürlich schneller (Anm. des Autors: Zumal dieser „nur“ 5.500 Höhenmeter aufzuweisen hat) und lebt nicht zuletzt wegen seiner Tradition von einer tollen Stimmung an verschiedenen Streckenpunkten. Natürlich war es für mich sehr einsam an der Spitze, denn ich habe praktisch von meinen Konkurrenten niemand gesehen!“ Dank moderner Technik war der frühere Marathonläufer, der nach erheblichen Rückenproblemen erst wieder seit fünf Jahren zurück zum gezielten Laufen gefunden hatte, allerdings stets im Bilde über seine „Verfolger“ in der Weite der Landschaft. Den nächsten konnte er allerdings mit Alexander van Schie erst gute eineinhalb Stunden (!) später im Ziel begrüßen.

Hinter dem drittplatzierten Italiener Luca Baldassarre (15:36:37) folgten auf den Rängen vier bis zehn ausschließlich Schweizer, dann mit Stefan Böck und Stephan Stranz zwei deutsche Läufer.  

Auf Platz acht des Gesamteinlaufes durfte sich mit Denise Zimmermann eine überaus erfolgreiche Irontrail-Gewinnerin als Tagesschnellste des „neuen“ Irontrails feiern lassen. Mit 16:48:26 Stunden hatte sie einen noch komfortableren Vorsprung als der Männersieger Michael Furrer, denn Astrid Forrer benötigte als zweitschnellste Läuferin 18:56:59 Stunden. „Ich konnte das Rennen genießen“ gestand die 48jährige passionierte Ultra-Spezialistin. „Für mich ist der Irontrail schließlich eine Herzenssache. Und ein ideales langes Training für mein nächstes Rennen!“ Und nannte nach einer Nachfrage auch ihr Ziel: Den Eiger Ultra Trail in zwei Wochen bereits – dann allerdings über … 250 Kilometern und 18.000 Höhenmetern. „Für mich wird dies allerdings eine neue Erfahrung werden, denn hier starten jeweils zwei Läuferinnen im Team!“

Unter den lediglich zehn Läuferinnen im Ziel waren mit Claire Sasso-Sant vom LC Rehlingen (Fünfte) und den beiden „Hartfüßler Trail“-Vertreterinnen Myriam Lazar und Anne Birgit Höh (Platz neun bzw. zehn) drei deutsche Starterinnen.

Nachholbedarf sehen die Organisatoren der Agentur Tuffli Events AG, der Gemeinde Val Surses und der Tourismus Savognin Bivio Albula AG vor allem beim T50-Wettbewerb, der über 50,5 km und +2.532 m/-3.099 Höhenmeter führt und lediglich 102 Finisher zu verzeichnen hatte. Allerdings mit einer Leistungsspitze, die sich durchaus sehen lassen konnte.

Bei den Männern wiederholte Dominic Funk seinen Vorjahressieg, der seinerzeit allerdings mit 24 Minuten Vorsprung etwas happig ausgefallen war. Und ihm gelang heuer ein nicht minder spektakulärer Erfolg. Für die 50 km lange Distanz benötigte der 34jährige aus Samedan 4:30:11 Stunden – und musste zwanzig Minuten auf den zweitplatzierten Schweden Fritjof Fagerlund warten, bevor der in der Ultraszene durchaus bekannte Mastersläufer mit nunmehr 49 Jahren ins Ziel am Schulhaus Grava in Savognin eintraf. „Wegen einer Verletzung bin ich auf Trails umgestiegen“, bekannte der Geohydrologie-Professor aus Uppsala, der eine Konferenz in Basel zum Laufabenteuer in den Parc Ela nutzte. „Ich habe mich gut gefühlt, habe mich aber nicht intensiv mit dem Streckenverlauf beschäftigt und bis zum Schluss auf einen weiteren starken Anstieg gewartet. Doch dieser kam nicht, stattdessen das Ziel!“

Doch auch eine bessere Orientierung des laufenden schwedischen Wissenschaftlers hätte Dominic Funk nicht von der Siegerstraße abbringen können, denn auch er bestritt sein Rennen mit dem Start in Bivio praktisch alleine von der Spitze. „Ich habe schon im Aufstieg zum Septimerpass meinen Rhythmus gefunden. Wegen der veränderten Streckenführung habe ich mir Strecke in Abschnitten zuvor angeschaut, das war natürlich für mich ein wichtiger Vorteil!“ Und ein Vergleich zur im Vorjahr angebotenen Strecke? „Diese ist deutlich härter, wenngleich sie aber nicht ganz 50 km lang ist“.

Hinter Funk und Fagerlund platzierten sich Sandro Spaeth (4:59:55) und der „Irontrail-Rocker“ David von Arx (5:06:05) auf den nächsten Rängen. Auf Platz 15 lief mit Philip Kühn der beste Deutsche ein.

Bei der Premiere 2022 durfte sich die einheimische Nina Carisch als Tagessiegerin feiern lassen, doch bei der zweiten Auflage reichten ihre 6:20:11 Stunden nicht zum erneuten Coup. Victoria Buchli aus dem nahen Scharans (bei Thusis) heißt die Irontrail-Siegerin 2023, die fünf Minuten zuvor die Zeitmessung in Savognin auslöste. Hinter vier Schweizerinnen wurde die Finnin Susanna Hernberg Fünfte, die Deutsche Carmen Hildebrand schaffte Rang 10. Ein Novum übrigens bei der Siegerehrung; Keine der Erstplatzierten fand sich zur Preisvergabe ein!       

Trail „soft“ rundete das Irontrail-Programm in Val Surses stimmig ab. Schließlich wollten die Organisatoren nicht nur „fertige“ Trailläufer ansprechen, sondern auch eine neue Zielgruppe erreichen. Und dieses dürfte mit dem T20, einer Kurzdistanz über 20 km und 1.220 Höhenmetern, auch erreicht worden sein, zumal hier 116 LäuferInnen das Rennen beendeten. An der Spitze befand sich letztlich ein 40jähriger Radcross-Spezialist des RSV Vaihingen, der mit seiner Endzeit von 2:07:11 Stunden gleich fünf Minuten Vorsprung vor Micha Kneubühl und Alaux Timothée herausgelaufen hatte. Auch bei den Frauen stand eine Deutsche auf dem Siegerpodest: Mit der sechstschnellsten Zeit aller Finisher holte sich Franziska Schneider nach 2:21:02 Stunden den Tagessieg. Die 32jährige ist allerdings Terrain erfahren, schließlich wurde sie bereits im Trikot des VfL Waldbreitbach unter anderem auch Landesmeisterin im Crosslauf. Elf Minuten zurück dann die Zweite Salome Demarmels, Rang drei holte sich die 23jährige Leonie Adrian aus Aalen.

„Ich bin nach wie vor begeistert“, freute sich die Touristik-Chefin Tanja Amacher als örtlicher Ausrichter über den zweiten Swiss Irontrail in Val Surses, „denn die Stimmung ist wirklich gut. Toll finde ich natürlich, dass so viele Einheimische mitgemacht haben. Schließlich haben wir als flächenmäßig viertgrößte Gemeinde der Schweiz nur 2400 Einwohner!“ Und bekannte: „Natürlich haben wir bei den Teilnehmern noch Luft nach oben“. Das dürfte trotz einem übervollen Trailkalender das vorrangige Ziel sein. Begeisterung jedenfalls ist vor Ort ausreichend vorhanden. Wenn dann noch interessante Gesprächspartner wie heuer auf dem Podium warten, dann hat man im Gebiet der bislang vor allem wegen der Durchreise bekannten Pässe wie Albula oder Julier alles richtig gemacht. Val Surses mit Savognin oder Bivio sind nämlich durchaus lohnende Urlaubsorte im Sprachemix aus Romanisch, Italienisch und Deutsch und Ausgangspunkte für Trails unterschiedlicher Länge und Schwierigkeitsgrade.