Sechs deutsche Siege beim Traditionslauf im Schweizer Kanton Graubünden – Benedikt Hoffmann holt dritten K68-Sieg – Überzeugender Auftritt von Lukas und Julia Ehrle – Davos X-Trails weiter im Aufwind
Die deutsche Dominanz auf dem Siegerpodest in Davos ist auffällig: Bei der dritten Auflage der Davos X-Trails, die aus der seit 1986 durchgeführten Kultveranstaltung Swissalpine hervorgegangen ist, gab es sechs deutsche Siege bei den vier zur Austragung kommenden Distanzen! Neben dem Diamond-Sieger Benedikt Hoffmann war die Dominanz der Geschwister Ehrle in ihren jeweiligen Wettbewerben auffällig. So gewann Lukas als Berglauf-Europameisterschaftszweiter den über 23,6 km führenden Silver Run, Julia als U20-Bergauf-Europameisterin den Bronze Run über 9,3 km – beide mit sieben bzw. dreieinhalb Minuten Vorsprung. Zudem kletterten Helga Fabian (Diamond/ K68), Nadine Hübel (Silver/ K23) und Jens Ziganke (Bronze/ K10) auf das oberste Podest bei der Siegerehrung. Für die weiteren Tagessiege sorgten im Gold Run über 42,7 km der Franzose Dorian Marchal und die Britin Sally Ratcliffe.
Mit einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von elf Prozent weiß man sich im Organisationsteam um den OK-Präsident Tarzisius Caviziel weiter im Aufwind, gegenüber der Premiere sind dies überdies schon fünfunddreißig Prozent Zuwachs. „Ich habe mir vieles angeschaut und muss sagen, dass ich unseren vielen Helfern ein Top-Zeugnis ausstellen kann. Ihre große Begeisterung und ihre Unterstützung für die Läufer sind für mich faszinierend. Letzte Woche haben wir zum Beispiel zwei Tage mit Schaufel und Pickel auf dem Panoramatrail gearbeitet, um nach dem langen Winter und den kräftigen Regenfällen die Strecke belaufbar zu machen. Mit knapp 2400 Anmeldungen befinden wir uns weiter im Aufwind. Unser Fokus liegt vor allem auf dem Breitensport, auch wenn es natürlich schön ist, wenn Topathleten da sind!“
Und diese Topathleten sind vor allem für die wenigen Medienleute wichtige Gesprächspartner, aber auch solche Läufer, die sechs bzw. zwölf Stunden in der herrlichen Natur zwischen Dörrboden, dem Scaletta- und Sertigpass oder Monstein und Sertig Dörfli lang unterwegs sind. Und die erschwerten Bedingungen mit kleineren Schneefeldern oder morastigem Untergrund akzeptierten. Deshalb machte sich Benedikt Hoffmann bei seinem glatten Durchmarsch beim Diamond Run über 67,6 km und 2644 Höhenmeter auch „keinen Kopf“, dass er als erfolgreicher Titelverteidiger mit 6:21:17 Stunden gleich 32 Minuten langsamer unterwegs war.
„Natürlich muss ich berücksichtigen, dass bei einer stärkeren Konkurrenz die Zeiten schneller sind, allerdings muss man auch die Streckenbedingungen sehen. Insgesamt bin ich aber sehr zufrieden mit dem nunmehr dritten Sieg“, so der 39jährige Lehrer aus Stockach am Bodensee, der sich derzeit nach der Geburt seines dritten Kindes in Elternzeit befindet und somit unter Profi-Bedingungen trainieren kann. „Natürlich muss man sich auch bei einem größeren Vorsprung immer konzentrieren und den Rhythmus hochhalten. Bei den Downhill-Passagen habe ich bestimmt einige Zeit liegen gelassen, das summiert sich letztlich! Aber ich denke, dass die Strecke mir wirklich liegt!“
Für „Bene“ Hoffmann, der vor wenigen Wochen bei der Trail-EM im französischen Annecy Achter geworden war, steht nach Annecy in wenigen Wochen in Chamonix der zweite absolute Saisonhöhepunkt an, nämlich der Start beim Ultra Trail du Mont Blanc im CCC-Wettbewerb über 100 km und 6156 Höhenmetern.
Nach etwas mehr als dreißig Minuten Rückstand folgte mit dem Franzosen Tangi Taton erst der zweite Diamond-Finisher, der sich dank der besseren Kraftreserven gegen den Schweizer Benjamin Müller durchsetzen konnte. Fünfter wurde mit Andreas Probst aus Unterendingen nach 7:24:35 Stunden der zweitbeste Deutsche, Simon Scherer (Achter) und Henrik Niessner (Neunter) rundeten den starken Auftritt der deutschen Läufer ab. Mit Benedikt Hoffmann führt ein Deutscher das Feld an, mit Helfried Worm aus Berlin rundete auf Position 157 ein Deutscher das Feld ab, allerdings Respekt für den 73jährigen, der die anspruchsvolle Strecke mit den Kulminationspunkten Scaletta- und Sertigpass in 13:45:47 Stunden schaffte.
Bei den Frauen feierte die seit acht Jahren in Stansstad bei Luzern lebende gebürtige deutsche Ultraläuferin nach viele Platzierungen im Hauptfeld erstmals einen Sieg – nämlich den Diamond Run bei den Davos X-Trails. Die 43jährige lief 8:48:46 Stunden und lag damit dreißig Minuten vor der Österreicherin Jennifer Anna Maria Straub und Xenia Braun (9:23:51).
Late-Entry-Starterin Jasmin Nunige, die eigentliche Favoritin des Ultrarennens in Davos, lief bereits im Aufstieg zum Scalettapass mit Schmerzen im Hüftbereich, die die achtfache Siegerin zum Wechsel auf die 43 km lange Gold Run-Strecke zwang. „Energetisch war ich eigentlich topfit, hatte aber muskulär vor allem downhill Probleme. Ich wußte aber, dass ich wegen dieser Probleme nicht absolut fit ins Rennen gehen würde. Aber die letzten Trainingsergebnisse waren eher ermutigend, sodass ich mich am Donnerstag angemeldet habe!“
Beweisen muss Jasmin allerdings niemand mehr etwas, dazu hatte sie viele außergewöhnliche Rennen in ihrer Karriere. „Hauptsache, das Training macht mir weiterhin viel Spaß. Vor allem in einem Tempo, bei dem ich mich wohl fühle…!“ Für eine Spitzenplatzierung im Gold Run reichte dies gewiss nicht mehr für Jasmin Nunige, die als Fünfte nach 4:16:12 Stunden das Ziel in Davos erreichte.
Mit einer starken Leistung wartete die Britin Sally Ratcliffe auf, die vom Start weg in einem starken Männerpulk allen weiblichen Konkurrentinnen davonlief. Die 30jährige, übrigens die Freundin des einstmals beim K43 „alter Prägung“ durchgeführten Marathonlaufes beim Swissalpine siegreichen Robby Simpson, ist eine vorzügliche Straßenläuferin mit Bestzeiten von 1:13 und 2:37 (übrigens 2023 in Berlin gelaufen), mag Cross und natürlich Trails (nicht zuletzt durch ihre Heimatstadt Manchester). „Robby sagte mir, als Vorbereitung auf den Jungfrau-Marathon seien die Davos X-Trails ideal. Deshalb bin ich hier! Die Strecke? Zwischen 20 und 30 km war es sehr taff, deshalb musste ich mich sehr stark konzentrieren!“ Nach der Südafrikanerin Toni McCann im Vorjahr nun eine Britin auf dem K43-Thron.
Dreizehn Minuten hinter Sally Ratcliffe kam Carola Dörries als Zweite ins Ziel. In einem reizvollen Duell mit der Dauerstarterin Ivana Iozzia hatte sich die Assistenzärztin der Kinderstation in Kempten letztlich in 4:06:26 durchgesetzt, die Italienerin folgte gut eine Minute später. „Ich habe das Rennen genießen können, auch wenn ich die technischen Passagen nicht mag!“ Mit der bereits in der Nationalmannschaft eingesetzten Dioni Gorla (Neunte) und der aus Berlin stammenden Jana Seel (Zehnte) schafften zwei weitere Deutsche den Sprung unter die Top 10.
Wenn wir schon bei Sprüngen sind: Ein kräftiger Sprung gelang dem Franzosen Dorian Marchal, der sich beim Gold Run als Vorjahresvierter ein reizvolles Duell mit dem favorisierten Schweizer Stephan Wenk lieferte. Ein Leistungssprung von achtzehn Minuten katapultierte den 29jährigen Franzosen mit Wohnsitz im schweizerischen Aigle auf Platz eins vor Stephan Wenk, der K68-Vorjahreszweite.
Auf Anraten von Benedikt Hoffmann entschied sich Lukas Ehrle für einen Start in Davos – und hier über die leicht verlängerte Halbmarathondistanz beim Silver Run von Klosters nach Davos. Wie man es inzwischen von dem 19jährigen Himmelsstürmer gewohnt ist – mit einem Raketenstart lief er vom Start weg der Konkurrenz beim teilnehmerstärksten Wettbewerb mit 731 Meldungen auf und davon. Im Alleingang stürmte er über die 23,6 km mit 631 m bergauf und 279 m bergab, die Begleit-Mountainbiker jedenfalls hatten ihre liebe Mühe mit dem vorgelegten Tempo des Berglauf-EM-Zweiten, der nach 1:27:55 bereits in Davos eintraf. „Heute bin ich sehr zufrieden, die Zeit stimmt auch!“ Gestern die EM in Annecy, der Großglockner Mountain Run in Heiligenblut und der Weltcup-Sieg im portugiesischen Castro Daire – heute Davos!
Und was folgt nun für den US-Studenten der Wingate University aus Villingen-Schwenningen? „So wie es aussieht werde ich beim Eliterennen des ICC in Chamonix starten, dann muss ich allerdings wieder zurück in die USA… um die Cross-Saison vorzubereiten!“ Mit den Cross-Europameisterschaften im türkischen Urlaubsort Antalya als Höhepunkt des europäischen Cross-Geschehens. Hinter Lukas folgte der Vorjahreszweite Arnold Aemisegger aus Liechtenstein mit sieben Minuten Rückstand und gewann dabei die M40-Konkurrenz. In der erweiterten Spitze wiederum einige deutsche Starter wie Marcel Job aus Maikammer als Zehnter, Marcio Mannweiler aus Cham als Zwölfter und Felix Köhler aus Freiburg auf Position dreizehn.
Bei den Frauen überraschte einmal mehr Nadine Hübel aus dem osthessischen Dipperz, die von einem Erfolgserlebnis (Sieg in Innsbruck, Rang drei am Reschensee) zum nächsten eilt. Die W40-Läuferin läuft zwar nach eigenem Bekunden seit ihrem zehnten Lebensjahr, die Trails allerdings erst vor kurzem mit vier Siegen beim Rennsteig-Halbmarathon oder als letztjährige Siegerin über 23 km beim Madrisa-Trail in Klosters. „Ich liebe diese welligen Sachen, habe aber nicht gedacht, dass es so warm werden würde! Deshalb habe ich auch jede Verpflegungsstation genutzt. Ab Davos-Wolfgang hatte ich sogar als Führende eine Radbegleitung. Das hat mir zusätzliche Motivation gegeben, mir aber auch die Sicherheit auf der Strecke gebracht, da ich weitgehend alleine laufen musste!“ Nadine überquerte nach starken 1:44:56 Stunden die Ziellinie im Sportzentrum in Davos, acht Minuten dauerte es, bis mit Flurina Eichholzer die Zweite eintraf. Als Vierte lief übrigens Anna Gehring ein, die vor wenigen Jahren aufgrund häufiger Verletzungen leider zu früh ihre Karriere als Spitzen-Langstrecklerin im Trikot des ASV Köln beendete.
Doch zurück zur Erfolgsgeschichte der Familie Ehrle. Denn ein Ehrle kommt selten alleine. Deshalb war die 16jährige Schwester Julia im Reisegepäck aus dem Schwarzwald dabei. Und Julia, nach dem Berglauf-EM-Titel (U18) in Annecy und dem um 6/100 Sekunden hauchdünn verpassten Gold bei den U18-Europameisterschaften über 3000 m im slowakischen Banská Bystrica, wollte in Davos „wieder einmal entspannt etwas längeres laufen“, wie sie es formulierte. Die 9,3 km lange Bronze Run-Strecke mit bergauf/bergab 163 Höhenmetern war so recht nach dem Geschmack von Julia Ehrle, die auf Asphalt und Schotter mit Trailpassagen nur 37:07 Minuten benötigte. Den deutschen Doppelsieg machte W40-Siegerin Simone Raatz (40:42) perfekt.
Und den Reigen der deutschen Erfolge eröffnete am frühen Morgen der Konstanzer Langstreckler Jens Ziganke, der sich im Bronze Run über 9,3 km nach 34:07 Minuten den Sieg im Generationenduell mit dem 20 Jahre jüngeren Schweizer Hugo Witteveen sicherte.
Auf dem Podest stand übrigens auch Lara Diekmann, die zwar den Gesamt-Wettbewerb als 82. In 6:31:58 Stunden absolvierte, aber den Scott-Sprint in Sertig Dörfli im Rahmen des Gold Run wie im Vorjahr gewinnen konnte. 16,5 Sekunden brauchte die frühere Sprinterin des DSC Oldenburg für die ausgeflaggten 100 m. „Nächstes Jahr hole ich mir das Tripple!“ macht sie sich berechtigte Hoffnungen auf die 2025er Auflage der Davos X-Trails – und das erneute Erfolgserlebnis als Ex-Sprinterin.
Noch nie war die Präsenz von deutschen Läufern bei einer Siegerehrung beim traditionsreichen Hochgebirgsspektakel, das nach einem Neustart vor drei Jahren nunmehr Davos X-Trails heißt, größer als in diesem Jahr. Nicht zufällig stellte der nördliche Nachbar Deutschland mit über 300 Startern gut zwei Drittel aller ausländischen Starter, die diesmal aus 29 Nationen in die Schweiz angereist waren. Sicherlich muss man aber auch erkennen, dass die internationale Klasse in der Spitze der zumeist zur Austragung kommenden drei Wettbewerben, merklich rückläufig ist, das sollte aber keineswegs die Leistung der Sieger und Platzierten schmälern. Jasmin Nunige, die Seriensiegerin der hochalpinen Veranstaltung mit insgesamt acht Siegen, bringt das Dilemma auf den Punkt, wenngleich sie bei Veranstaltungen wie dem Innsbruck Alpine Trailrun Festival kräftig die Werbetrommel für ihre Heimatstadt Davos rühren konnte: „Viele Topläufer benötigen ITRA- und UTMB-Punkte, um für die angesagtesten Rennen zugelassen werden. Deshalb sind sie ständig auf der Jagd nach diesen Qualifikationsläufen und müssen deshalb auch die Davos X-Trails auslassen!“ Die Hoffmann, Ehrle, Hübel und Co. jedenfalls haben bei den hochsommerlichen Temperaturen von Davos bewiesen, dass sie auf internationalem Terrain durchaus konkurrenzfähig sind und mit Spitzenleistungen aufwarten können. Wie zuletzt die Berg- und Trail-Europameisterschaften im französischen Annecy eindrucksvoll bewiesen hatten.