Bei den Masters-Berglauf-Weltmeisterschaften in Ponta do Pargo auf Madeira überzeugte das kleine deutsche Aufgebot mit einer Vielzahl von Medaillen in den Einzel- und Mannschaftskonkurrenzen
Die Azoreninsel Madeira ist ein gutes Pflaster für deutsche Langstreckenläufer, denn im Laufe der seit 2002 dort ausgetragenen Titelkämpfe im Berg- und Traillaufen oder bei Straßenwettbewerben auf europäischer Ebene oder unter den Fittichen der Weltverbände World Athletics, WMRA, World Masters Athletics und European Masters Athletics bei den Senioren gab es so manches zu feiern, gleich ob in den Einzel- oder Teamkonkurrenzen. Vielleicht die wichtigste Medaille gewann Sarah Kistner 2015 als U20-Europameisterin. Jedenfalls eines ist sicher: Die Auflistung der vielen Masters-Erfolge würde einen eigenen Beitrag bedeuten, aus naheliegenden Gründen konzentrieren wir uns hier auf das aktuelle Geschehen bei den 22. World Masters Mountain Running Championships in einem kleinen Dorf unweit von Calheta im Westen der Blumeninsel gelegen.
Die Hügellandschaft der Urlaubsregion von Calheta zeigte sich dabei als idealer Austragungsort, wenngleich das beschauliche Ponta do Pargo als Start- und Zielort mit engen Gässchen gerade am Sonntag mit dem parallelen Apfelfest mit vielen Absperrungen und Einbahnstraßen nahezu kollabierte.
Schauen wir zunächst auf die aus deutscher Sicht erreichten Topresultate der Langdistanz, wie der 32,4 km lange Trail-Wettbewerb mit bergauf 1151 und bergab 1154 Höhenmetern protokolliert wurde. Ein Mix aus Asphalt, Wanderwegen, den berühmten Levada-Pfaden oder Wiesengeläuf forderte letztlich die gut 200 Trailläufer, zumal dichter Nebel, starker Wind und Starkregen manche Läufer zudem noch in Grenzbereiche führte. Mit einem zeitlichen Abstand von dreißig Minuten wurden zunächst die Frauen auf die Strecke geschickt, die Männer konnten problemlos das kleine, schon früh nach dem Start auseinander gezogene Feld der Läuferinnen einholen.
Eigentlich wollte Simone Raatz auf der Azoren-Insel über die klassische 9 km-Bergauf-Strecke ins Rennen gehen und gerne ihren 2021 in Telfes errungenen Titel wiederholen. Doch eine Zeitplanänderung bedingte wegen der verspäteten Anreise einen Verzicht auf die Uphill-Strecke und eine neue Strategie mit dem Start im Trailwettbewerb. Für die 47jährige Darmstädterin jedoch absolutes Neuland und den Bergauf- und Bergabstreckenabschnitte. Und es spricht für die läuferische Klasse, dass sie auch auf diesem eher ungewohnten Terrain Weltmeisterin werden konnte.
„Bergauflaufen kann ich, jedoch ist Bergablaufen nicht meine Stärke. Deshalb musste meine Devise lauten, so viel Vorsprung wie möglich auf den ersten bergaufführenden 15 km auf die Konkurrenz herauszulaufen!“ Am höchsten Punkt der Strecke lag die ASC-Läuferin fünf Minuten vor der Portugiesin Vera Bernardo und acht Minuten vor Dee Collins, die beide jüngeren Masters-Kategorien angehörten. Ihre Kategorien-Konkurrenz weit zurück. In der ersten Verfolgung auch Kerstin Esterlechner vom PTSV Rosenheim, die in der W40-Klasse auf Medaillenkurs lief.
Auch wenn Simone Raatz auf den teilweise steil bergabführenden Passagen unter Krämpfen litt, ihr Vorsprung war nach wie vor komfortabel. „Die Herausforderung für mich war neben der Trailstrecke vor allem die geringe Orientierung, da ich niemals eine Konkurrentin im Rennen gesehen habe!“ In der Tat, denn erst drei, vier Kilometer vor dem Ziel überholte mit dem erfahrenen Bulgaren Shaban Mustafa der schnellste Mastersläufer die Darmstädterin.
Nach 2:45:08 Stunden erreichte sie völlig durchnässt das Ziel, denn just beim Zieleinlauf hatte wolkenbruchartiger Regen kein Mitleid mit den Tagesschnellsten. Mit einem Rückstand von 3:31 Minuten folgte Vera Bernardo als Gewinnerin der W40 auf Rang zwei, dichtauf die drittschnellste Läuferin mit Dee Collins, womit die Kategoriensiegerinnen mit W45, W40 und W35 schon feststanden.
Mehr als 17 Minuten hinter Simone Raatz folgte die W45-Zweite Ghizela Vonica (Rumänien) in der Kategorienwertung. Mit Christine Dörscher (Vierte) und Sonja Deiss (Siebte) erreichten die weiteren W45-Starterinnen weitere vordere Ränge, sodass früh der deutsche Mannschaftssieg mit 12 Punkten vor Irland (20) feststand. WMA-Präsidentin Margit Jungmann ließ sich natürlich diese Siegerehrungen mit den strahlenden deutschen Siegerinnen nicht nehmen.
Mit Kerstin Esterlechner (Dritte W40), Elke Keller (Dritte W55) und Elfriede Ganter (Siegerin W40) gab es drei weitere Einzelmedaillen, weitere deutsche Frauen-Mannschaften kamen nicht zustande.
Bester im Männerfeld der gerade bei den attraktiven Laufevents in den Alpenländern bestens bekannte Shaban Mustafa, der bei der Auftaktveranstaltung am Freitag noch dem US-Läufer Eric Blake unterlegen war, aber die M45 gewann. Der Bulgare setzte sich auf der Langdistanz nach 2.11:52 Stunden klar gegen den Italiener Massimiliano Bernardi (2:19:22/ M40) und dem Portugiesen Tiago Aires (2:20:22) durch.
Zahlenmäßig waren die DLV-Männer im Trail-Wettbewerb deutlich stärker vertreten. Ein überaus starkes Rennen gelang Miguel Molero-Eichwein, der bereits beim Auftakt über 9,2 km und 800 Höhenmeter hinter dem Portugiesen Joaquim Figueiredo (47:11) mit 45 Sekunden Rückstand M55-Silber gewinnen konnte. Der „Flachländer“ von Spiridon Schleswig kam auf dem Terrain mit wechselnden Anstiegen, Flachstücken und Abwärtspassagen letztlich glänzend zurecht und kam nach 2:23:46 Stunden als Gesamtsechster ins Ziel. Wie auch Simone bekannte Miguel, dass er seine Chancen gegen die Konkurrenten vornehmlich in den Bergaufpassagen sah und diese auch nutzte. Mit über neun Minuten Vorsprung gelang ihm dies auch eindrucksvoll. Leider fehlte Miguel bei der Siegerehrung auf der Hauptbühne beim Apfelfest als Einziger der Sieger.
Mit den starken Josef Attenberger (Zweiter), Winfried Huber (Dritter) und Roland Essler (18.) holte das DLV-M60-Team mit 23 Punkten hinter Spanien (22) die Silbermedaille. Als einziges Dreierteam (das für die Mannschaftswertung eigentlich erforderlich gewesen wäre) holte Deutschland in der M65-Kategorie in der Besetzung Albert Eugen-Vetter (Sechster), Jürgen Sigler (Neunter) und Pedro Carrasco (12.) mit 27 Punkten die Goldmedaille vor den „Zweier-Teams“ aus Rumänien, Italien, Österreich und Spanien.
Zum Auftakt des Weltchampionats der Masters holte sich neben Miguel Molero-Eichwein auch Thomas Bauer als Zweiter der M60 über die Bergauf-Distanz (9,2 km) die Silbermedaille – und legte den Grundstock für Team-Gold, das ihm zusammen mit Josef Attenberger (Vierter) und Winfried Huber (Fünfter) bei der Siegerehrung überreicht wurde.
Bei den Frauen gab es im Berglauf-Wettbewerb W45 weitere Medaillen: Christine Dörscher wurde überraschend Zweite und im Zweierteam mit Sonja Deiss (Vierte) hinter Irland und Portugal WM-Dritte. Um 20 Sekunden schrammte Elke Keller in der W55-Klasse als Vierte am Bronzerang vorbei. Das deutsche W55-Zweierteam komplettierte Sabine Kraus (Achte), das hinter Italien Silber gewann. „Bin selbst schuld“, gestand Marie-Luise Heilig-Duventäster mit Blick auf die Ergebnisse der W60-Klasse, „ich habe einfach überzogen!“ Dadurch überholte die Spanierin Ana Mori die eigentlich sehr erfahrene Läuferin der LG Welfen auf dem Weg zur Goldmedaille.