Hoffnung für jugendliche Bergläufer

Deutscher Leichtathletik-Verband lockert die Teilnahme-Zulassung bei Jugendlichen und Schülern im Berglauf – Streckenlängen-Veränderungen sollen bereits für die Laufsaison 2013 greifen

„Startverbot für jugendliche Bergläufer“ betitelte die Rheinpfalz im März 2012 einen Beitrag zum Nanstein- Berglauf, einem über 7,1 km führenden Berglauf mit 350 Höhenmetern in Landstuhl in der Pfalz. Ein sicherlich eher „reißerischer“ Titel angesichts der im Text dann näher erläuterten Regel des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), die Jugendliche im Alter bis 15 Jahre von der Teilnahme an Bergläufen ausschließt. Im bisherigen Sprachgebrauch handelt sich dabei um Schüler bis 15 Jahre, währenddessen Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren startberechtigt sind. An Meisterschaften jedoch waren Jugendliche bislang nicht startberechtigt, ein Anachronismus, mit dem die mit Berglauf befassten Fachleute beim DLV gerne aufräumen möchten.

„Wir entsenden seit vielen Jahren Jugendliche im Alter von 17 bis 19 Jahren zu Welt- und Europameisterschaften und sind, wie die Beispiele Anton Palzer und Julia Lettl eindrucksvoll zeigen, überaus erfolgreich – haben aber Probleme, eine zentrale Sichtung, sprich Meisterschaft, zur Bildung einer leistungsstarken Nationalmannschaft anzusetzen“, bedauert Wolfgang Münzel, der DLV-Berater Berglauf und Council-Mitglied des Berglauf- Weltverbands WMRA. Anträge zur Installierung von deutschen Jugendmeisterschaften im Berglauf sind bislang am Widerstand der Jugend-Wettkampforganisation gescheitert. Zumal man mit der Ausweitung des Meisterschaftsprogramms auch eine Verzettelung von jugendlichen Lauftalenten befürchtet, die der Bahn orientierten Wettkampfgestaltung verloren gehen würden. So jedenfalls die Auffassung beim Leichtathletik- Fachverband. Wolfgang Heinig, dem neuen Leitenden Bundestrainer Lauf/ Gehen, ist es Ende 2012 angesichts der ausgedünnten Marathonspitze in der Aktivenklasse gelungen, einen Schwerpunkt Straße mit der Wiedereinführung von 15-km-Straßenlaufmeisterschaften für Jugendliche zu setzen. Dies wird allerdings erst ab 2014 gelten.

Vom Meisterschaftscharakter jedenfalls sind die Bergläufer noch deutlich entfernt. Ohne verkennen zu wollen, dass zunächst die in der Öffentlichkeit weitaus stärker im Rampenlicht stehenden olympischen Disziplinen gestärkt werden sollten, fordern die Berglauf-Verantwortlichen die Öffnung für Jugendliche in dieser Laufdisziplin. „Oftmals sind es Quereinsteiger, die im Berglauf-Bereich zu Leistungsträgern geworden sind. Toni Palzer ist zum Beispiel Welt- und Europameister im Skibergsteigen und hat für den DLV bei den Berglauf-Europameisterschaften in Pamukkale im Juli 2012 die Silbermedaille im Einzelwettbewerb der U 20 gewonnen, mit der Mannschaft gab es bei den Weltmeisterschaften 2010 in Kamnik ebenso schon eine Silbermedaille! Julia Lettl ist ein weiteres Beispiel, an der zum Beispiel der bayerische Verband nicht interessiert war, 2012 aber Vize-Weltmeisterin U 20 im Berglauf geworden ist! Und das beste, sie ist noch zwei Jahre lang in dieser Altersklasse startberechtigt!“ so der DLV-Berglaufberater. Eine vorzeigbare Medaillenausbeute, die sicherlich auch die Position des Berglaufes innerhalb des Deutschen Leichtathletik-Verbandes stärken konnte. Denn bei den Männern und Frauen hängen die Trauben weitaus höher, da auf internationalem Terrain immer stärker semiprofessionelle Züge im Spitzenbereich zu erkennen sind.

Einen ersten Schritt in die richtige Richtung kommt nun durch das Bestreben des Bundesausschusses Laufen mit der Einbindung von Bergläufen und Landschaftsläufen in die „Bestimmungen zu Volkslaufveranstaltungen“. So werden Bergläufe hinsichtlich der Altersbegrenzung im § 7 der Deutschen Leichtathletik-Ordnung den Straßenläufen (Volks- und Landschaftslauf, Trail) gleichgestellt. Teilnahmeberechtigt auf Strecken bis 15 Kilometern sollen ab 2013 Jugendliche der Klassen U 20 und U 18 sein, für die Klasse U 16 sind Streckenlängen bis 10 km möglich. Schüler im Alter von 10 bis 13 Jahren (U 14, U 12) sind nicht startberechtigt, hier greift auch die Durchlässigkeit (Startberechtigung für die nächst höhere Altersklasse) nicht. Beim DLV betont man mit Blick auf bereits publik gewordene Auswüchse allerdings, dass Straßenläufe für Kinder „in kindgemäßer Form“ durchzuführen sein müssen. Denn Wunderkinder gab es gerade in Deutschland schon immer – nur, einen wirklichen Durchbruch bis hinein in die Erwachsenenklasse hat es leider nur in seltenen Fällen einmal gegeben.

Nicht unmaßgeblichen Anteil an dieser Veränderung hat der Pfälzer Berglaufpionier Henning Schneehage, der in einem offenen Brief an den DLV-Vizepräsidenten Dr. Matthias Reick sein Unverständnis über das Regelwerk geäußert hatte – und dabei erläuterte, dass Jugendliche vor der Pubertät grundsätzlich ein günstigeres Kraft-Last- Verhältnis (Verhältnis von Herzvolumen zu Körpergewicht) als Erwachsene haben und von daher zum Langstreckenlauf und insbesondere zum Berglauf besonders geeignet sind. Er steht aber zugleich im Einklang mit vielen Laufexperten, die eine ausgeprägte leichtathletische Grundausbildung im Schüleralter in den Vordergrund stellen und dabei alle Wettkampfformen austesten sollten, wie zum Beispiel Cross- und Berglaufen neben den altersgemäßen Läufen auf der 400-m-Rundbahn.

Schneehage fordert in diesem Zusammenhang aber auch, dass es einen zweiten Weg zum Langstreckenlauf für Kinder geben müsse, nämlich den über die Lauftreffs und die Volks- und Landschaftsläufe. Denn viele Jugendliche sind nicht am Lauftraining im Stadion interessiert oder haben in ländlichen Gegenden kein Sportgelände in der Nähe, laufen aber gerne beim örtlichen Lauftreff oder auch einfach privat ausdauernd durch den Wald. „Diesen jungen Läufern darf die Teilnahme an den klassischen Volksläufen über etwa 10 km, zusammen mit älteren Laufkameraden oder Eltern nicht verwehrt werden!“ Dem gerecht wird nun seitens des DLV die Festlegung der maximalen Streckenlänge bei Straßenläufen für Jugendliche U 16 auf 15 Kilometer, für Jugendliche U 14 auf 10 Kilometer. 

Klarheit soll auch beim Begriff „Berglauf“ geschaffen werden. So werden Bergläufe im klassischen Sinne von Bergläufen im Sinne von Volks- und Landschaftsläufen unterschieden. Ein Berglauf im klassischen Sinne findet in landschaftlich anspruchsvoller Topografie statt und weist im Durchschnitt eine Steigung von 70 Höhenmetern pro Kilometer auf, die Streckenlänge beträgt dabei 8 bis 15 Kilometer. Für Meisterschaften der Aktiven und Senioren gilt eine Leitorientierung von mindestens 700 Höhenmeter und einer Streckenlänge von 8 bis 12 Kilometern. In diese Kategorie fallen übrigens auch Bergsprints (250 Höhenmeter, 3 bis 5 Kilometer). Als Bergläufe im weiteren Sinne (Volks- und Landschaftsläufe) werden Läufe bezeichnet, die mindestens 250 Höhenmeter und eine Streckenlänge von 5 km aufzuweisen haben. Eine Gesamtlänge soll angesichts der hier angebotenen Marathon- und Ultraläufe nicht genannt werden. Die Höhenmeter werden in Deutschland aufgrund der gegebenen Topografie als Addition von Steigungen angegeben. Das heißt aber auch im Umkehrschluss, dass Bergläufe in dieser Klassifizierung auch Bergabpassagen haben.

Die Begrifflichkeit „x-Berglauf“ oder „y-Berglauf“ bleibt durch diese Neukategorisierung unberührt, denn eine traditionsreiche Veranstaltung im Mittelgebirge wird sich freilich nicht durch eine jetzt neu strukturierte Reglementierung seitens des DLV in seiner Namensgebung beeinflussen lassen. Die Frage: „Wann ist ein Berglauf ein Berglauf?“ wird sich dadurch nicht regeln lassen. So wird ein Organisator seinen Lauf nach wie vor „Berglauf“ nennen, selbst wenn dieser gerade einmal 150 Höhenmeter hat und eine Streckenlänge von vielleicht acht oder zehn Kilometer hat.

Die DLV-Berglaufexperten jedenfalls sehen in dieser Begriffsklärung und Zuordnung einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Gerade bei Läufen im Mittelgebirge mit eher moderaten Steigungen (wenngleich auch mit Gefällpassagen) können Jugendliche ihr Talent zum Gelände betonten Laufen entdecken. Steile Berglauf- Klassiker wie der Karwendelberglauf werden ehedem nur von geübten Jugendlichen angestrebt, die durchaus wissen, was ihnen bevorsteht, wenn sie an der Startlinie stehen. Verbote fordern eher eine unsägliche Diskussion heraus, treiben möglicherweise Verbandsmitarbeiter in Erklärungsnöte, sorgen zum Verdruss unter den Beteiligten und sind für ein wohlverstandenes Laufen in der Natur kontraproduktiv.