Der schnelle Parcours auf einer veränderten Hundseck-Strecke brachte zwar die erwarteten Sieger – aber auch so manche Überraschung bei einer insgesamt starken Beteiligung im Rahmen des 45. Hundseck-Berglaufs in Bühlertal
Berglaufmeisterschaften sind eine Wundertüte, denn stets platzieren sich Nicht-Favoriten auf den vorderen Rängen. So 2022 bei einem herausfordernden Parcours am Jenner im Berchtesgadener Land mit dem Überraschungsmeister Julius Ott, dem geteilten zweiten Rang für Benedikt Hoffmann und dem 17jährigen Lukas Ehrle oder dem Bronzemedaillengewinn der W45-Ersten Simone Raatz, am Samstagnachmittag in Bühlertal auf einer gänzlich anderen Streckentopografie mit Silber für Nina Voelckel und Bronze für Felix Köhler. Das letztlich macht auch den Reiz von Deutschen Meisterschaften aus, im Nordschwarzwald jedoch unbestritten die letztlich erwarteten Meistertitel für den U20-Europameister Lukas Ehrle und Laura Hottenrott mit ihrem dritten Sieg in Folge.
„Natürlich habe ich damit geliebäugelt, den dritten Titel in Folge zu holen“, freute sich Laura Hottenrott nach ihrem mehr oder weniger gelungenen Alleingang an der Frauenspitze und nach Bad Kohlgrub und Schönau am Königssee der dritten deutschen Meisterschaft in Folge. Bei ihrer Siegerzeit von 43:49 Minuten musste sie eineinhalb Minuten warten, um ihrer gelegentlichen Kasseler Trainingskollegin Nina Voelckel zur überraschenden Vizemeisterschaft zu gratulieren. „Wenn ich ehrlich bin, muss ich feststellen, dass mir dieser Meistertitel am leichtesten gefallen ist. Die Strecke hätte aber auch steiler sein können!“ Denn die 31järige Allround-Läuferin mit einer Vorliebe für schnelle Straßenläufe über die Halb- und Marathondistanz hat ihre besonderen Fähigkeiten mit zwei Siegen beim Jungfrau-Marathon mit 1800 Höhenmetern Steigung unterstrichen und plant bei den bereits in fünf Wochen folgenden Weltmeisterschaften in Innsbruck und im Stubaital sowohl das Vertical Race mit 7 km Länge bei 1020 Höhenmetern als auch die Trail-Marathondistanz.
Die 24jährige Nina Voelckel, wie nicht wie Laura Hottenrott für den PSV Grün-Weiss Kassel, sondern für das Laufteam Kassel startet, ist in der Berglaufszene gewiss ein eher unbeschriebenes Blatt und darf nach ihrer überzeugenden Leistung mit einer Nominierung für die Berglauf- und Trail-WM rechnen. Noch zu jung für einen WM-Einsatz ist hingegen Julia Ehrle, die mit 16 Jahren in der Frauen-Overall-Wertung mit 48:00 Minuten die Bronzemedaille gewann, nachdem sie im Vorjahr als Einlaufzweite wegen ihres Alters noch nicht bei deutschen Meisterschaften startberechtigt war. In dichter Folge belegten Tanja Hellmann (48:12), die W45-Siegerin Simone Raatz (48:13) und bei ihrer Berglauf-Premiere Sabrina Mockenhaupt-Gregor (48:39) die Plätze vier bis sechs. „Mocki“ holte sich dabei zugleich die W40-Wertung, gestand jedoch, dass dies ihr wohl einziger Berglauf bleiben würde. Den Start hatte sie ihrem Bruder Markus zuliebe vereinbart, der in der M40-Klasse übrigens Dritter wurde. Die zum Mitfavoritenkreis nach ihrem Sieg am Feldberg zu zählende Franziska Althaus stieg wenige Meter vor dem Ziel mit Atembeschwerden sichtlich enttäuscht aus dem Rennen aus. Für die frühere U20-Europameisterin Sarah Kistner reichte es in einem starken Frauenfeld nur zu Rang neun. Jedoch stand Sarah dennoch auf Platz eins bei der Siegerehrung, denn mit ihren Kolleginnen von Spiridon Frankfurt gewann sie den Mannschaftstitel vor dem TV Bühl und dem SSC Hanau-Rodenbach.
Auch wenn manche den auf im Langstreckenbereich erfolgreichen Maximilian Zeus als ersten Sieganwärter bezeichneten, der Titel ging in frappierender Deutlichkeit an den erst 18jährigen Lukas Ehrle. Nach 38:43 Minuten war der für die LG Brandenkopf startende U20-Europameister bereits im Ziel. Vergleichszahlen gab es aus naheliegenden Gründen keine, denn die traditionelle Hundseck-Berglaufstrecke zum Mehliskopf konnte wegen eines brütenden Auerhuhns nicht genutzt werden, sodass die Alternativstrecke zwar 9,9 km maß, aber mit lediglich 654 Höhenmeter um 120 Höhenmeter flacher war. Achtzig Sekunden dahinter lief zunächst Maximilian Zeus ins Ziel, vierzig Sekunden dahinter überraschend der Freiburg-Marathonsieger Felix Köhler, der zugleich M35-Sieger wurde. Auch die nächsten Plätze wurden von Läufern erreicht, die nicht unbedingt in der Spitzengruppe erwartet werden konnten: Vierter wurde der eher im Trailbereich starke Philipp Stuckhardt vor dem M40-Sieger Sascha Chwalek und Jens Ziganke. Erst auf Platz sieben erreichte der Titelverteidiger Julius Ott mit fast drei Minuten Rückstand auf Lukas Ehrle das Ziel.
„Als das Tempo an der Spitze nach vier Kilometern langsamer wurde, bin ich nach vor und habe versucht, das zunächst von Julius Ott und Maximilian Zeus vorgelegte Tempo hoch zu halten. Es tat sich dabei allerdings schnell eine Lücke auf, sodass ich schon an den Titel glauben durfte!“ Der Villinger ist somit der jüngste deutsche Berglaufmeister in der inzwischen fast 40jährigen Geschichte der Titelkämpfe, als Dreingabe gewann er zugleich auch noch die U20-Meisterschaft. Und zeigte sich überaus glücklich, den Spagat zwischen schriftlichem Abitur und den Berglaufmeisterschaften so überzeugend bewältigt zu haben. Am Dienstag bereits geht es für Lukas Ehrle bereits zum nächsten Showdown, denn da steht das Latein-Abitur an!
Im weiteren Feld der insgesamt 300 Meisterschaftsteilnehmer, die somit eine Verdopplung der Meldezahlen gegenüber dem Vorjahr bedeuteten, nahmen die stärksten Mastersläufer eine hervorragende Rolle ein. Thomas Kotissek wurde als 13. auch M45-Meister, ein Novum gab es bei der M50-Kategorie, denn Martin Borgenheimer und Markus Mey liefen ohne erkennbaren Unterschied auf Platz 23 ins Ziel und erhielten auch beide Gold überreicht.
Jubel beim SSC Hanau-Rodenbach, der sich mit Philipp Stuckhardt, Marius Abele (8.) und Julius Hild (14) mit knappem Vorsprung gegen die LG Brandenkopf den Kampf um die Teammeisterschaft durchsetzte.
Schwerstarbeit gab es für den Organisator TV Bühlertal, die nach 1988, 1997 und 2015 zum vierten Mal Ausrichter von Deutschen Berglaufmeisterschaften waren, denn bei der Auswertung hakte es maßgeblich, sodass die Siegerehrungen mit erheblicher Verspätung erst durchgeführt werden konnten. Leider waren zu diesem Zeitpunkt schon viele der weit angereisten Medaillengewinner schon auf der Heimreise….