Die internationale Berglauf- und Trailszene lebt – Eine Vielzahl von Läufen in der Alpenregion belegt die gefühlvolle Öffnung für Landschaftsläufe – Die Asse melden sich zurück in die Szene
921 Läufer, darunter 230 Frauen, überliefen die Ziellinie beim traditionsreichen Großglocknerlauf über 12,670 km und 1494 Höhenmeter – angesichts der bislang weitgehend eingeschränkten Genehmigungen für Massenläufe kommen diese Zahlen wie einem Erdrutsch gleich. Die 2021er Auflage des „Mythos Großglockner“ von Heiligenblut zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe auf 2300 m gewann dabei mit Lengen Lolkurraru ein in der Szene unbekannter Kenianer in 1:11:48 Stunden vor dem 2019er Sieger Filimon Abraham, einem für die LG Rupertiwinkel startenden gebürtigen Eriträer mit inzwischen deutschem Pass (1:12:34) und dem mehrfachen österreichischen Staatsmeister Manuel Innerhofer (1:13:44). Für den 2018er Sieger Geoffrey Gikuni Ndungu gab es nach 1:13:47 als Vierten keinen Platz mehr auf dem Podium wie auch für den Vizeweltmeister Cesare Maestri (1:14:17). Auch die Frauenerste Joyce Muthoni Njeru ist nur wenigen Insidern ein Begriff, die Kenianerin im Team von Run2gether gewann in 1:23:46 Stunden vor ihren Landsfrauen Purity Gitonga (1:24:10) und der zweifachen Weltmeisterin Lucy Wambui Murigi (1:28:00). Die frühere Weltmeisterin Alice Gaggi wurde in diesem Elitefeld Siebte (1:35:09).
Beim Marathon du Mont Blanc über 38 km und +2.630/-1700 Höhenmetern finishten gleich 1249 LäuferInnen, Tagesschnellste waren dabei die dreimalige Europameisterin und Trail-Weltmeisterin Maude Mathys aus der Schweiz, die in 3:51:04 Stunden die in Tübingen lebende Französin Anais Sabrié (4:00:17), Blandine L’Hirondel (4:07:31) und die als Vierte überraschend starke frühere Rennsteig-Ultramarathon-Siegerin Daniela Oemus (4:13:34) klar in Schach halten konnte. Bei den Männern setzte sich der Norweger Stian Angermund nach 3:18:08 Stunden gegen Magnani Davide (3:20:10) und dem Trail-Weltmeister Bart Przedwojewski (3:23:23) durch, die exzellente Spitze wurde durch Rémi Bonnet und Francesco Puppi auf den Plätzen vier und fünf abgerundet. Insgesamt finishten beim Trailspektakel in Europas höchstem Massiv 2700 (!) LäuferInnen.
Zwei Deutsche marschieren nach 2019 und der Corona bedingten Auszeit 2020 bei der 19. Auflage des Zermatt-Marathon am ersten Juli-Samstag erneut vorweg: Benedikt Hoffmann und Sammy Schu. Für den inzwischen in Stockach am Bodensee beheimateten „Bene“ Hoffmann lief über zwei Minuten schneller als vor zwei Jahren auf der 42,2 km langen Strecke mit 1944 Höhenmetern und sicherte sich in 3:02:24 erneut den Siegerscheck, diesmal gefolgt dem Kolumbianer Diego Vera (3:05:58) und dem 2019er Zweitplatzierten Shaban Mustafa (3:15:15). Nur eine Minute dahinter folgte mit dem für das LAZ Mosbach startende Julian Beuchert (3:16:15) der nächste deutsche Läufer und ließ dabei so namhafte Bergspezialisten wie Isaak Toroitich Kosgei, Lucien Epiney und Patrick Wieser hinter sich.
Auch Sammy Schu war bei der Wiederholung seines 2019 völlig unerwarteten Erfolgs mit 4:01:10 schneller, dies allerdings um gleich satte elf Minuten. Allerdings war dies auch erforderlich, um die starken Schweizer wie Pierre-André Ramuz (4:01:33), Martin Anthamatten (4:06:20) oder den Swissalpine-Ultra-Sieger Bernhard Eggenschwiler abzuweisen. Bei den Frauen überragte die Niederländerin Nienke Brinkmann mit dem neuen Marathonrekord von 3:19:42 Stunden, die bisherige Rekordmarke hielt mit Martina Strähl immerhin eine der weltbesten Bergspezialistinnen seit 2015 mit 3:21:38. Keine Chance gegen die wie entfesselt zum Ziel auf dem Riffelberg auf 2.585 m Höhe hinauf stürmende Nienke hatte die Italienerin Ivana Iozza (3:41:19) und die wie 2019 als Dritte einlaufende schweizer Marathonmeisterin Natascha Baer (3:48:43). Über die Halbmarathondistanz setzten sich am zweiten Veranstaltungstag mit dem 20jährigen Fabian Fux (1:45:26) und der 22jährigen früheren Skilangläuferin Lena Bächle aus Traunstein zwei Nachwuchsathleten durch. Mit über 1300 (!) Finishern gab es beim Zermatt-Marathon ein überragendes Bekenntnis zum Laufen am „schönsten Berg der Welt“, dem Matterhorn.
Überaus flott war beim Stubai Ultratrail von Innsbruck zum Stubai-Gletscher (deshalb auch das treffliche Motto „City 2 Glacier“) auch der aus Mieders im Stubaital stammende Alexander Hutter unterwegs, der die 67 km lange Distanz mit +5356 Höhenmetern bis zum Restaurant Jochdohle auf 3.173 m Höhe in 8:24:33 Stunden schaffte und dabei neun Minuten Vorsprung auf den Lokalmatador Christian Stern (8:33:23) und die Deutschen Adrian Niski und Ronald Jahnke hatte. Schnellste Läuferin zum Stubaigletscher war Marie-Luise Mühlhuber in 10:03:41 Stunden, gefolgt von der Polin Monika Borowicz und der Deutschen Karola Rennhack.
Das Rennen K32 über 31,6 km und +3100 Höhenmetern gewann der Brite Thomas Roach nach 3:40:07 Stunden und zehn Minuten Vorsprung auf gleich fünf Deutsche mit Florian Reichert (3:50:01) und Johannes Hinterseer (3:54.01) als Stärkste. Bei den Frauen setzte sich Anita Eckerstorfer (4:54:41) vor Susi Reichert (5:12:06) durch.
Auf der „Kurzdistanz“ K20 mit +2138 Höhenmetern gewann mit Anna Hahner eine der stärksten deutschen Marathonläuferinnen, die schon eine Woche zuvor beim „Kaiserkrone Trail“ siegreich war. Die Neu-Berlinerin schaffte die 19 km lange Strecke in 2:48:27 Stunden, hinter Isabell Bichler (2:51:26) folgte mit Lena Laukner (2:56:23) eine weitere deutsche Läuferin. Rund 600 LäuferInnen aus 23 Ländern gingen bei der vierten Auflage des Hochgebirgsspektakels in insgesamt vier Wettbewerben an den Start.
Der Startpunkt für die Skyrunner World Series 2021 erfolgte übrigens in Scheffau beim Kaiserkrone Trail, der mit 24,7 km und +2780 Höhenmetern zu den Härtesten der Skyrunner-Szene zählt. Die ersten Wertungspunkte holten sich dabei der Schweizer Christian Mathys (3:18:50) vor dem Japaner Ruy Ueda (3:22:34) und dem Österreicher Jakob Herrmann (3:23:54), der zugleich Staatsmeister wurde. Bei den Frauen setzte sich die einheimische Stephanie Kröll (4:12:44) gegen die Spanierin Oihana Azkorbebeita Urizar durch.
Eine weitere Staatsmeisterschaft (die vierzehnte!) durfte übrigens im Rahmen des Kraftalm-Berglaufes in Itter die unverwüstliche Andrea Mayr auf der 11,5 km langen Strecke mit 1055 Höhenmetern nach 1:21:40 feiern, die deutsche Annika Seefeld folgte übrigens außer Wertung als Zweite nach 1:29:37 Stunden. Auch bei den Männern setzte sich mit Manuel Innerhofer der aktuell beste Österreicher nach 54:33 Minuten durch, hinter dem ebenso außer Wertung startenden Thomas Roach (55:34) wurde Markus Hartlinger (55:51) Vizemeister vor Martin Mattle (56:20).
Zwei neue Sieger gab es beim Brixen Dolomiten Marathon mit dem Lokalmatador Helmuth Mair und Julia Kessler aus Meran. Die sportlichen Highlights rückten allerdings in den Schatten, als bekannt wurde, dass ein 62jähriger Läufer aus Brixen nach einem Herzinfarkt verstarb. von der SG Eisacktal setzte sich bei den Männern in 3:50.41 Stunden durch, während Julia Kessler aus Meran die Frauen-Konkurrenz in 4:25.58 Stunden gewann. Doch das alles rückte in den Schatten als am Nachmittag bekannt wurde, dass ein 62-jähriger einheimischer Teilnehmer einer Viererstaffel während des Rennens einen Herzinfarkt erlitten hatte und daran verstarb.
Sportlich hatte der 11. Brixen Dolomiten Marathon am frühen Morgen bei perfekten Laufbedingungen am Brixner Dom begonnen. Aus einer Spitzengruppe setzte sich der 51jährige Helmuth Mair noch vor der Halbdistanz an die Spitze und überquerte auch nach 3:50:41 Stunden bei seiner zehnten Teilnahme als Sieger die Ziellinie. Bei den Frauen feierte Julia Kessler einen Start-Ziel-Sieg. Mit einem Vorsprung von 14 Minuten lief die 28jährige nach 4:25:58 ins Ziel. Platz zwei hielt Susanne Zahlauer, während Rekordsiegerin Edeltraud Thaler (fünf Erfolge in Serie von 2011 bis 2015) das Podium komplettierte.
Neben der klassischen Marathonstrecke boten die Veranstalter auch den Dolomites UltraTrail an. Hier setzten sich mit dem Duo Alexander Rabensteiner/Ivan Favretto die Top-Favoriten durch. Sie bewältigten die 71 Kilometer mit rund 4000 Höhenmetern in 8:32.47 Stunden.
Beim Tatra Race Run in Polen, zugleich Wertungslauf zum World-Cup des Berglauf-Weltverbandes WMRA, gab es über 24,2 km und 1700 Höhenmeter einen überraschenden Doppelsieg durch die einheimischen Marcin Kubica (2:18:51) und Piotr Lobodzinski (2:20:21), ehe gleich drei Italiener die nächsten Ränge belegten: Henry Aymonod (2:21:40) vor Martin Dematteis (2:23:23) und Bernard Dematteis (2:24:20). Bei den Frauen gewann die Britin Charlotte Morgan in 2:46:03 vor Alice Gaggi (2:27:12).
Den Blick auf die hoffnungsvollen Berg- und Trailevents sollen die Bernina Ultraks mit Start und Ziel auf der Flaniermeile in Pontresina abrunden. Über 700 Läufer aus 17 Nationen hatten für die insgesamt fünf Strecken gemeldet, die die hochalpine Atmosphäre des Berninagebiets erkunden wollten. Dies freilich war auf der Corvatsch-Strecke über 30,1 km für die Tagesschnellsten Julia Bleasdale und Micha Steiner nicht erforderlich, denn sie leben in Pontresina bzw. in Samedan. Für die frühere 10.000 m-Olympiastarterin wurden 3:04:24 Stunden notiert, eine um drei Minuten schnellere Endzeit als bei ihrem Sieg 2018, als die Veranstaltung noch Engadin St. Moritz Ultraks hieß. Micha Sprenger verpasste mit 2:39:39 die Streckenbestmarke von Christian Mathys aus dem Jahr 2017 um läppische vier Sekunden.
Den Gletschermarathon über 42 km und 2.600 Höhenmetern sicherten sich Raphael Sprenger (5:22:12) und Anika Lehmann (6:42:06), die sich als Premierengewinner über die Streckenhighlights Chamanna Boval, Morteratsch- und Persgletscher, Diavolezza, Fuorcla Pischa und Chamanna Segantini in die Historie dieser jungen Veranstaltung eintragen konnten.
108 km und 6.740 Höhenmeter sind die Eckpunkte der SALOMON 4 Trails 2021 von Imst über Wenns (Pitztal), Ried (Oberinntal) und Pfunds bis zum Finalort Nauders, einer Viertagestour mit 340 Athlten aus 17 Nationen quer durch die Alpen. Bei den Männern gab es bei herrlichen Laufbedingungen einen deutschen Doppelsieg durch Korbinian Lehner vor Lukas Sörgel und dem Österreicher Matthias Mattle durch. Der Erlanger benötigte eine Gesamtlaufzeit von 10:13:37 Stunden. Bei den Frauen dominierten mit der Münchnerin Kim Schreiber, Lena Laukner aus Dresden und Aoife Quigly aus Heidelberg gleich drei deutsche Läuferinnen. Mit vier Tagessiegen und einer Gesamtzeit von 11:39:40 Stunden war Kim Schreiber dabei die überragende Starterin unter den 340 Athleten aus 17 Nationen.
Die letzte Etappe verlangte den Trailspezialisten noch einmal alles ab. Bereits am Start in Pfunds im Tiroler Oberland kletterten die Temperaturen auf deutlich über 20 Grad. Die Schlussetappe mit der Überquerung des 2.397 m hohen Zadresjochs war landschaftlich überaus reizvoll, hatte es aber nochmal in sich. Das Spitzentrio Lehner-Sörgel-Mattle machte im steilen Aufstieg mächtig Druck, blieb aber trotz der Tempoverschärfungen zusammen. „Dann haben wir entschieden, gemeinsam über die Ziellinie zu laufen“, erklärte Korbinian Lehner. „Es war ein wunderbarer Abschluss, wir haben zusammen gelitten und ich kann mich über den größten Erfolg in meiner Laufbahn freuen“, jubelte der 25-Jährige in Nauders.
Bei den Frauen forderte die von Tag zu Tag stärker werdende Lena Laukner die bislang klar führende Kim Schreiber erneut heraus, musste aber die Stärke der 26jährigen Journalistin aus München anerkennen. Am Ende des Tages feierte Kim Schreiber mit der zehntschnellsten Zeit (3:18:20 Stunden) ihren vierten Tageserfolg. „Ich bin froh, dass ich unten bin. Die Luft war raus bei mir, bergauf haben wir uns gegenseitig gepusht“, kommentierte Schreiber ihren hart umkämpfen Erfolg. Lena Laukner hatte alles versucht, haderte aber mit dem Wetter („die Hitze ist nicht mein Ding“), während Aoife Quigly trotz eines am Tag zuvor operierten Fußnagels noch auf Rang drei lief.
Als am Nachmittag auch die letzten Trailrunner*innen und Hiker*innen das Ziel in der wunderschönen Ortsmitte von Nauders erreicht hatten, war es Zeit für einen Rückblick. Luise Langowski, Sportmarketing-Managerin Salomon Running: „Wir haben tollen Spitzensport über vier Tage gesehen. Und eine gelungene Mischung aus Spitzen- und Breitensport.“ Luise Langowski, die die SALOMON 4 Trails selbst als Zehnte beendete, hob zudem die Qualität der Strecke hervor: „An allen vier Tagen waren wir über der 2.000 m-Grenze. Die Trails waren zum Teil komplett neu. Das war der ideale Einstieg in die Welt der Etappenläufe.“
Exemplarisch dafür standen Athleten wie Felix Fache, mit 79 Jahren der älteste Teilnehmer überhaupt. Die Zeiten waren Fache bei seinem dritten S4T-Start egal. „Ich schaue nur auf das Zeitlimit. Und das schaffe ich ja“, scherzte der Leipziger.
Oder Sylvia Breitenbacher aus Stuttgart und Barbara Wasserhess aus Köln, beide zum zweiten Mal dabei, beide begeistert von den SALOMON 4 Trails. „Wir haben uns während des Laufs gefunden, sind jetzt eine kleine Gruppe“, lachte die Rheinländerin. Oder Vanessa Westhues und ihr Partner Stefan Lange, die beiden Pizzeria-Besitzer in Münster. „Ich bin total euphorisch, ich bin zum zweiten Mal dabei, aber sicherlich nicht zum letzten Mal“, lachte die 30jährige.