Geoffrey Gikuni Ndung’u erstürmt setzt erstaunliche Serie auch am Kitzbüheler Horn fort – Ehrenurkunde für Berglauf-Urgestein und Horn-Organisator Franz Puckl
Während die Langstreckenszene im Stadionoval oder auf der Straße mehr oder weniger fest in ostafrikanischer Hand ist, liefen diese bei eher sporadischen Versuchen in der Berglaufszene hinterher. Ausnahmen dabei einige äthiopische oder eriträische Läufer wie der mehrfache Jungfrau-Marathonsieger Tesfaye Eticha oder Siege bei der Berglauf-WM in der Juniorenklasse. Der Neuseeländer Jonathan Wyatt und europäische Asse aus Italien, der Schweiz, Österreich und gelegentlich auch aus Deutschland gaben in der Nischendisziplin der Leichtathletik den Ton an. Diese Rollenverteilung ist inzwischen auch überholt, denn mit großem Engagement stürmen nun einige Kenianer mit Basisstation auf der Hebalm in der Steiermark in das letztverbliebene Refugium. Dem 25jährigen Geoffrey Gikuni Ndung’u gelang es, nicht nur den weltbesten Bergläufer Jonathan Wyatt (Neuseeland) zweimal empfindlich zu schlagen, sondern ihm dabei auch den Streckenrekord am Großglockner abzunehmen.
Kenianischer Verband ohne Interesse an Berglauf-WM
Hier der Großglocknerlauf in Heilgenblut, der Muttersberglauf in Bludenz, dort der Feuerkogellauf in Ebensee oder der Kitzbüheler Horn-Bergstraßenlauf, der Aufsteiger des Jahres 2009 heißt Geoffrey Gikuni Ndung’u. Mit schnellen Flachzeiten wie 27:42 Minuten über 10 km oder 1:01:24 Stunden über Halbmarathon ist er in der internationalen Langstreckenszene ein Nobody, in der Berglaufszene ist er nun drauf und dran, dem bislang dominierenden sechsfachen Weltmeister Jonathan Wyatt den Rang abzulaufen. Es sei denn, er kehrt 2010 wieder auf die Straße zurück, weil es dort schlichtweg mehr zu verdienen gibt, wenngleich die Trauben deutlich höher hängen. Ausschlaggebend hierfür wird der kenianische Leichtathletik-Verband sein, der sein Ansinnen, bei den Berglauf-Weltmeisterschaften am 6. September 2009 im italienischen Campodolcino zu starten, nicht zur Kenntnis nehmen wollte. „Wir haben die WM-Strecke nachgebaut, er hätte eindeutig Siegchancen gehabt!“ so sein Betreuer Thomas Krejci, der neben ihm auf der Hebalm im Projekt „run2gether“ weitere sechs kenianische Langstreckler unter seinen Fittichen hat. „Doch Kenia Athletics wollte ihn nicht auf die WM-Nennliste stellen“. Frust und Enttäuschung allenthalben bei Gikuni und seinem Coach.
Projekt „run2gether“ mit großen Zielen
Was steckt nun hinter diesem Projekt „run2gether“? Die hier zusammen gefassten sieben Läufer haben es innerhalb von nur drei Monaten geschafft, nicht nur zahlreiche Schlagzeilen durch zahlreiche Siege in Österreich zu produzieren, sondern auch in charmanter Weise für das österreichisch-kenianische Projekt „run2gether“ zu werben. Ziel ist es, über den Laufsport kenianischen Familien ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Und auch mit Architekten aus Graz und Nairobi an den Hängen des Rift Valley auf 2300 m das Mt. Longonot Sportcenter zu errichten.
Zusammen laufen, zusammen trainieren, zusammen leben – das ist das Motto eines Projektes, das auf der Hebalm in 1400 m aus der Taufe gehoben wurde. Mit angebotenen Laufwochen oder Lauf-Schnuppertagen können Interessierte in diesem Laufcamp die kenianische Kultur, die Lebensweise und das Lauf-know-how näher kennen lernen. Weshalb nun auf der Hebalm? Aufgeschlossene Touristikfachleute haben erkannt, dass Appartements und Gastzimmer im „Sommerloch“ mit Ausdauersportlern gut zu belegen sind. Da kam die Idee von Thomas Krejci gerade recht!
Beim Kitzbüheler Horn-Bergstraßenlauf gaben die Sieben von der Hebalm (darunter Lydia Wacuka Wanjau als einzige Frau) nun die Saison-Abschiedsvorstellung, denn das für drei Monate ausgestellte Touristenvisum läuft am kommenden Dienstag ab, so dass die Kenianer praktisch mit gepackten Koffern nach Kitzbühel angereist waren. „Unser Ziel ist es, den Athleten das erlaufene Preisgeld 1:1 zu übergeben“, sagt Krejci, der seit zwei Jahren das Projekt „run2gether“ vorangetrieben hat. „Mit den Laufseminaren vor Ort können alle Fixkosten bezahlt werden, so dass die gesamten Prämieneinnahmen den Läufern verbleiben!“
Timo Zeiler mit zu schnellem Beginn
Kein Wunder also, dass die kenianischen Läufer das nicht sonderlich starke internationale Feld völlig im Griff hielten. Im Sechserpack zermürbten sie nach drei Kilometern den einzig vom Start weg mithaltenden deutschen Meister Timo Zeiler, so dass dieser der seine Ambitionen auf eine gute Platzierung sehr schnell begraben musste. „Wir sind 6:20 für die ersten beiden Kilometer angelaufen, das war für mich einfach zu schnell!“ gestand der Trochtelfinger etwas enttäuscht, denn für ihn blieb letztlich hinter drei Kenianern und dem Südtiroler Gerd Frick nur Rang fünf. Ein schwacher Trost alleine die Tatsache, dass die drei weiteren Kenianer auf dem 12,9 km langen Anstieg mit 1234 Höhenmetern zum Fernsehturm auf dem Horn noch mehr „büßen“ mussten als Timo Zeiler und deutlich abgeschlagen die Plätze sieben, acht und elf belegten.
Geoffrey Gikuni Ndung’u lief einen ungefährdeten Sieg heraus – verpasste aber mit 58:20 Minuten den Streckenrekord des vierfachen Horn-Siegers Jonathan Wyatt von 55:58 trotz idealer Laufbedingungen deutlich. Hinter Isaac Toroitich Kosgei und Elvis Kipruto Maiyo folgte der Südtiroler Gerd Frick, der bereits 2007 schon einmal auf dem Kitzbüheler Horn erfolgreich war, auf Rang vier vor Timo Zeiler, der mit 1:01:39 Stunden dennoch eine schnelle Endzeit auf die durchgängig asphaltierte Strecke legte.
Carina Lilge-Leutner holt nach 1991 erneut Sieg am Horn
Bei den Frauen feierte die bereits 49jährige Carina Lilge-Leutner einen unerwarteten Erfolg, denn die Wienerin kam nach 1991 (!) zum zweiten Einzelsieg beim Kitzbüheler Horn-Berglauf. Sie lieferte sich mit der Darmstädterin Alexandra Bott einen harten Fight, der erst auf dem steilen Schlusskilometer zugunsten von Carina Lilge-Leutner entschieden wurde. Noch bis zum Alpenhaus führte die 20 Jahre jüngere Deutsche mit zwanzig, dreißig Meter Vorsprung. „Ich lief am Limit, mehr ging heute wirklich nicht mehr. Aber dennoch bin ich mit meinem dritten zweiten Platz in Folge zufrieden!“ Alexandra Bott ist in diesem Jahr nach längerer Abstinenz in einer guten Form in die Berglaufszene zurückgekehrt und verpasste am Tegelberg (Füssen), am Rugghubel (Eingelberg/Schweiz) und nun am Kitzbüheler Horn den Sieg.
Auszeichnungen und Beifall für Horn-Urgestein Franz Puckl
Bei der 31. Auflage des Kitzbüheler Horn-Bergstraßenlauf erhielt Franz Puckl, das umtriebige Urgestein der österreichischen Berglaufszene und Hornlauf-Chef die Ehrenurkunde der Stadtgemeinde Kitzbühel – und natürlich viel Applaus von der Läufergemeinde. „Ich bin ganz gerührt“ gestand Franz Puckl bei der Verleihung und versprach, sich auch weiterhin für den Berglauf in Österreich mit Nachdruck einzusetzen. Im vergangenen Jahr erhielt Puckl bereits das Goldene Ehrenzeichen des Österreichischen Leichtathletik-Verbandes (ÖLV).