Wann ist ein Berg auch ein Berg?

Nur der Kenianer Lukas Ndungu kann beim Goldenen Herbst in Bad Dürkheim Jonas Lehmann bremsen – Jugend forsch voran bei den Frauen: Nora Coenen vor Tanja Grießbaum

Pfalz und Berge, das ist eine Frage des Blickwinkels. Vor allem, wenn es um die Eingruppierung der Pfälzer Bergläufe im Gesamtkonsens der Berglauf-Veranstaltungen in Deutschland geht. Selbst Henning Schneehage (Foto), ausgewiesener Fachmann in Sachen Berglauf und Initiant des Bad Dürkheimer Berglaufes und des Pfälzer Berglauf-Pokals, schwächt ab: „Wir haben im Vergleich zum Schwarzwald oder zu den Alpen natürlich nur Hügel. Aber auch diese können es in sich haben!“ Wovon ein Teil der gut vierhundert Läuferinnen und Läufer beim Bad Dürkheimer Berglauf gewiss ein schmerzhaftes Lied singen kann. Doch in der Pfalz ist mann oder frau Allroundläufer. Und diese Palette reicht vom Zehner bis hin zum Halbmarathon oder Marathon, vom Cross bis eben zum Berglauf. Nur so erklären sich die exzellenten Zahlen bei den Pfälzer Bergläufen, die zum Teil das Zwei- oder Dreifache von Veranstaltungen im deutschen Alpenraum ausmachen. So kann der Kalmit-Berglauf in Maikammer in der Regel 700 Starter, der Donnersberglauf in Steinbach 600 Starter – und der Bad Dürkheimer Berglauf weiß „in guten Jahren“ auch stets über 400 Starter aufzuzählen.

So stellt sich für die Pfälzer und die erstaunlich zahlreichen Läufer aus dem Hessischen, aus Baden-Württemberg, dem Saarland oder sogar noch aus anderen Bundesländern die Kardinalfrage nicht, nämlich wann ein Berg auch ein Berg ist. Doch auch die wie hier kumulierten 510 Höhenmeter können es in sich haben, netto sind es 370 Meter Höhendifferenz. Es sind im Grunde zwei rampenartige Anstiege im Verbund mit leicht ansteigenden Wegen durch die gerade im Oktober in herrlichen Farben leuchtende Weinanbau- und Waldgegend.

Die rührigen Läufer des LC Bad Dürkheim hatten bei der fünfzehnten Auflage des Berglaufes hinauf zum Bismarckturm einmal mehr den „goldenen Oktober“ im Angebot, besser nämlich hätte das Laufwetter in der Kreisstadt zwischen den Wingerten und dem Ausläufern des Pfälzer Wald nicht sein können. Und sehr zur Freude von Henning Schneehage versammelte sich beim etwas engen Start an der   Berufsbildenden Schule, unweit vom Wurstmarktgelände mit dem größten Weinfass der Welt und der Saline gelegen, so viele namhafte Athleten wie nie zuvor. Die Nationalmannschaftsläufer Timo Zeiler, Markus Jenne und Nora Coenen standen neben dem auch am Berg starken Ultraläufer Stefan Hinze oder dem deutschen U 23- Meister Jonas Lehmann vom TuS 06 Heltersberg. Bei den Frauen zudem noch die talentierte Tanja Grießbaum aus Rülzheim und die starken Marathonläuferinnen Eve Rauschenberg, Dorothea Falkenstein und Josefa Matheis – ein Feld vom Feinsten also.    

Da wäre allerdings noch ein junger kenianischer Bursche namens Lukas Ndungu aus dem auch hierzulande als Trainingscamp bekannten Nyahururu, den eigentlich niemand so recht einzuschätzen wusste. Mit einem Touristenvisum eingereist ist er eher bei deutschen Freunden in Mannheim-Käfertal zu Gast und auf Europaurlaub. Und läuft das, was sein Gastvater Claus Schmitt auf die Schnelle im Internet ausfindig machen konnte. Hier der Kraichgaulauf in Sinsheim, dort der Halbmarathon beim Schwarzwald-Marathon in Bräunlingen – oder wie nun der Berglauf in Bad Dürkheim. Mit einem 29 Minuten-Leistungsniveau jedenfalls braucht sich der 20jährige vor der einheimischen Konkurrenz nicht zu fürchten. So kam es dann auch, wie es zu erwarten war. Nach einer kurzen Attacke am ersten Anstieg von Timo Zeiler ließ man den Kenianer gewähren – und konzentrierte sich auf den Kampf um die (weiteren) Plätze.

Überraschend war es nicht der vierfache deutsche Meister Zeiler, sondern Jonas Lehmann, der als „runner up“ als Zweiter am Bismarckturm auftauchte. Dann Stefan Hinze („angesichts meines stressigen Vormittagsprogramms lief es sehr gut“), Markus Jenne („Mit dem fünften Rennen in fünf Wochen bin ich nicht unzufrieden“) und Timo Zeiler, der in seiner Saisonpause vor dem Start ins Wintertraining kaum läuft und entsprechend wenig konkurrenzfähig war gegen Gegner, die allesamt noch komplett in der Laufsaison stehen.

„Oh, das war wirklich hart“, gestand Lukas Ndungu im Ziel nach der steilen Schlusspassage über tückische Wurzelpassagen und rustikale Treppenstufen. „Ich habe so etwas noch nie gemacht. Als die anderen nicht mehr mitlaufen wollten, habe ich mein Tempo durchgezogen“. So einfach klingt das aus dem Mund des 20jährigen Kenianers, der gerne in Deutschland ein Studium beginnen möchte und derzeit zusammen mit seinem Gastvater die Möglichkeiten in Mannheim auslotet. Mit 33:34 Minuten lief Lukas Ndungu keineswegs eine „Hammerzeit“ wie seinerzeit Thomas Greger, der seit 1999 den Streckenrekord auf 32:02 Minuten schraubte.      

Zwölf Sekunden hinter dem Kenianer folgte dann mit Jonas Lehmann der junge Heltersberger auf Rang zwei. „Der Junge hat ein großes Potential“ freute sich Udo Bölts, der Ex-Radprofi und Teamchef beim TuS 06 Heltersberg über das Kronjuwel in seiner Mannschaft, die seit einigen Jahren eindrucksvoll in der  Berglaufszene auftritt. „Mir macht das profilierte Gelände einfach mehr Spaß als die flachen Straßenläufe“, sagt Jonas über seine Fähigkeiten. „Der deutsche Juniorenmeistertitel, vielmehr noch der sechste Platz im Gesamteinlauf am Nebelhorn, das hat mich schon überrascht!“ blickt der Maschinenbaustudent der Uni Kaiserslautern zurück auf seine erstaunliche Leistung am Nebelhorn in Oberstdorf. „Heute habe ich mich weniger auf den Kenianer, sondern alleine auf die Konkurrenz wie Timo, Markus oder Stefan konzentriert. Mit etwas mehr Druck wäre ich vielleicht wieder an Lukas Ndungu herangekommen!“  Doch Jonas Lehmann ist auch schon stolz auf das bislang Erreichte am Bismarckturm, schließlich hat er sich innerhalb von drei Jahren um gleich drei Minuten verbessert. 

Neben dem gewiss couragierten Auftritt von Jonas Lehmann gab es zudem erfreuliche Leistungen junger Berglauftalente. Die 20jährige Nora Coenen aus dem hessischen Krofdorf-Gleiberg holte sich nach 2009 erneut den Sieg, diesmal aber in einer Zeit von 40:41 Minuten, die nicht weit vom Streckenrekord entfernt liegt (Nadine Gill 40:17/ 2007). „Mir gefällt die Strecke, weil man bergab einmal richtig Gas geben kann!“ freute sich die Studentin über ihren neuerlichen Erfolg. Dieser viel mit neunzig Sekunden Vorsprung recht üppig aus. Doch auch die Zweite war sichtlich zufrieden, denn Tanja Grießbaum ist erst 19 Jahre alt und liebt die Bergläufe, weil sie schlichtweg „interessanter als die flachen 10 km-Rennen“ sind, wie sie zu Protokoll gibt. Sie wurde übrigens wie auch Jonas Lehmann als schnellste Pfalzläufer geehrt, schließlich gab es einmal mehr die Landesmeisterschaften in Bad Dürkheim als Dreingabe. Und schließlich warten beim beliebten Pfälzer Berglauf-Pokal mit dem Potzberglauf und dem Kalmit-Berglauf noch zwei Herausforderungen, die viele für die Gesamtwertung mit vier Wertungsläufen noch absolvieren müssen.

Sabine Rankel, die nahezu ein Jahrzehnt lang die dominierende Läufern der Pfalz, wurde beim Bad Dürkheimer Berglauf auch gesichtet, doch diesmal als Helferin bei der Getränkeversorgung der Läufer. „Derzeit geht kein Schritt ohne Schmerzen“, klagt Sabine Rankel, die wegen Sitzbeinbeschwerden seit einem Jahr kaum noch trainiert, geschweige denn an Rennen teilnehmen kann. „Mein letztes Rennen war im November 2010 beim Kalmit-Berglauf“, stellte sie fest, ohne jedoch anzufügen, dass sie damit zum zehnten Mal in Folge Siegerin des Pfälzer Berglauf-Pokals geworden war. Mit Tanja Grießbaum steht allerdings eine würdige Nachfolgerin parat, vorausgesetzt, die junge Läuferin, die gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr an der Grundschule in Rülzheim absolviert, geht am Potzberg und am Kalmit an den Start.