Überzeugend: Kerstin an ihrem „Hausberg“


Nur drei Männern gewährt Kerstin Bertsch beim 34. Feldberglauf den Vortritt. Im wahrsten Sinne Sprintsieger wird Benjamin Löw nach 9,7 km vor dem 18jährigen Tom Knauer

Emotionaler Auftakt beim 34. SÜWAG-Energie Feldberglauf an der FIS Primary School wenige Minuten vor dem Count-down für die 9,7 km lange Strecke mit 585 Höhenmetern hinauf zum zweithöchsten hessischen Gipfel: Die Organisatoren der TSG Oberursel baten die über zweihundert Läufer, zumeist Stammgäste seit vielen Jahren, um ein Gedenken an den langjährigen Feldberglauf-Chef Christian Spaich, der im vergangenen September nach schwerer Krebserkrankung gestorben war. Dankbarer Beifall der Feldbergläufer beendeten diese emotionale Minute – ehe sich die Masse der Feldbergläufer auf den Weg zum 880 m hohen Hausberg der Frankfurter machten. Mitnichten nur, denn es sind die zahlreichen Hundertschaften an Radsportlern aus der Region, die vor allem an Wochenenden zum Sturm auf den Feldberg starten. Und davon gab es an diesem Sonntag mit Temperaturen um 20° recht viele. Aber auch Wanderer – und natürlich Läufer.

Mit und ohne Startnummer auf dem Renndress oder einem Startnummernband. Bevor nun allerdings die wettbewerbsmäßig im Sauseschritt zum Feldberg stürmten, waren eine nicht weniger Ambitionierte „Trainingsgründen“ auf der Traditionstrecke unterwegs. Und fast wäre der Tagesschnellste auch für die Fotografen unter diese Rubrik gefallen, denn Benjamin Löw stürmte mit orangebraunem Shirt (und einer nicht sichtbaren Startnummer) dem Ziel entgegen. Und musste bis auf die Ziellinie um seinen Sieg bangen, denn der junge Tom Knauer mit Jahrgang 2007 kämpfte sich Meter um Meter an den für die „Trailbuddies Hessen“ startenden 34jährigen aus Waldsolms heran. Am Ende trennten beide mit 43:54,8 und 43:55,4 lediglich sechs Zehntelsekunden. Ungewöhnlich im Normalfall für ein Langstreckenrennen, denn die Zehntelsekunden werden nicht ausgewiesen, in diesem Fall jedoch besonders hilfreich für die Ermittlung der Platzierungen an der Spitze.

Happy war Tom über den Ausgang allerdings nicht besonders. „Ich hätte früher Vollgas geben müssen“, ärgerte er sich ein wenig über die Renntaktik. Für das zweifellos als Berglauf-Talent anzusehenden Tom Knauer war dies übrigens sein erster Start am Feldberg – und gewiss nicht sein letzter Berglauf. Zusammen mit seinem Trainer Sascha Arndt beim SSC Hanau-Rodenbach ist ein Start bei den Deutschen Berglaufmeisterschaften geplant, zumal er im vergangenen Jahr auf der Trailstrecke in Zell-Unterharmersbach schon als Fünfter in die Szene hineingeschnuppert hatte. „Rein bergauf kann ich besser!“ offenbarte er seine Fähigkeiten, die er bereits am „knackigen“ Hochgrat-Berglauf schon ausspielen konnte. Tom kann aber auch „flach“, denn gerade erst war er in Jügesheim auf der 10 km-Distanz bemerkenswerte 32:58 gelaufen war.

Benjamin Löw ist hingegen ein „alter Hase“, der als eigentlicher Trailspezialist den Hochkönig über 85 km im Auge hat, aber auch gerne die Herausforderung am Nebelhorn mit den besten deutschen Bergläufern annehmen möchte. „Man kannte sich ja vom Vorjahr, deshalb war das Tempo eher verhalten. Am Fuchstanz habe ich die leichte Bergabpassage genutzt und konnte mich etwas absetzen. Zumal ich wußte, dass Tom bergauf stärker ist!“ Das Nachsehen hatte diesmal der Vorjahressieger Bastian Liewig, der in der fünf-/sechsköpfigen Spitze „entspannt“ mitlaufen konnte. „Ben hatte beim Fuchstanz forciert, Tom ist mir bergauf weggelaufen. Dennoch bin ich nicht unzufrieden. Jetzt freue ich mich bei diesem Wetter noch auf eine Radrunde!“ Geschätzte vier Stunden hat sich der Triathlet des DSW 1912 Darmstadt für den Sonntag noch vorgenommen. Fragenden Blicken entgegnete er mit einem Lächeln: „Schließlich ist auch der Ironman in Hamburg schon in wenigen Wochen….“.

Hinter diesem Trio folgte bereits mit Kerstin Bertsch die erste Frau im Feld. Die 37jährige Streckenrekordlerin hielt sich lange in der Männerspitze und lief mit 45:17 Minuten und lediglich 23 Sekunden nach dem Tagesschnellsten ins Ziel. Den Feldberg darf man getrost als den Hausberg der überaus erfahrenen Bergläuferin bezeichnen, schließlich hält sie seit 2015 die Streckenbestmarke, beim Vorjahressieg benötigte sie 46:49 Minuten. „Es lief heute wirklich gut. Ich bin im Gegensatz zum Vorjahr im Männerpulk mitgelaufen und kein Tempo gemacht. Das hat auch einmal Spaß gemacht“ – und freut sich auf den Ausflug am Samstag zur Hamburger Jahnkampfbahn, wo sie bei den deutschen Langstreckenmeisterschaften in der W35-Klasse um die Mastersmeisterschaft über 5000 m laufen wird.

Ganz andere Ziele hat hingegen die Deutsch-Kanadierin Adele Blaise-Sohnius, die eigentlich als Allroundläuferin von ihrem Wohnort Siegburg aus unterwegs ist, und gerne bei den Off-Road-Weltmeisterschaften im spanischen Canfranc im Vertical Race starten möchte. „Wenn der kanadische Verband mich aber nicht nominieren sollte, dann habe ich noch Plan B in der Tasche: Nämlich einen Start bei Sierre-Zinal“. Doch soweit ist es lange noch nicht, zuvor möchte sie beim MesseTower-Run in Frankfurt ihren Vorjahressieg wiederholen. Und am Feldberg? „Ich bin zufrieden. Kerstin habe ich immer direkt vor mir gesehen, konnte aber nicht mehr auflaufen!“ Mit 46:12 Minuten wurde sie im Gesamteinlauf Siebte, direkt hinter dem starkem M50-Sieger Günter König und dem eigentlichen Skilangläufer Tobias Hartig.

Doch aus dem Frauenfeld gibt es noch mehr zu berichten. So gab es ein Wiedersehen mit Lena Wirth, die nach der Geburt von zwei Mädchen wieder Anschluss an die nationale Spitze finden möchte. Tut sich aber derzeit noch schwer. „Dennoch bin ich zufrieden, mehr geht offenbar aktuell noch nicht. Das Frauenfeld war schon stark!“ Das erkennt man daran, dass die hessische Berglaufmeisterin Clara Costadura als Vierte mit allerdings über vier Minuten Rückstand auf Kerstin Bertsch ins Ziel lief. „Ich möchte mich bei den italienischen Meisterschaften im Juni für die WM qualifizieren, deshalb starte ich zuvor noch bei den Chiemgau Trails und bereite mich deshalb auf längere Strecken vor“. Und dahinter die für die LG Brandenkopf startende Franziska Schmieder, die allerdings nach einer Verletzung und trotz Bestzeit-Ergebnis beim Freiburger Halbmarathon mit dem Ergebnis keineswegs einverstanden war. „Mir fehlte einfach die Kraft in der Schlußphase“, gestand die Schwarzwälderin. Ein starkes Rennen lieferte auf Position sechs Kerstin Domachowski aus dem nahe gelegenen Schmitten ab, die mit 53:26 Minuten zugleich die W50-Masterswertung gewann.