Überraschungen bei den Berglauf-Meisterschaften

Michelle Maier distanziert die Favoritin Melanie Noll um zwei Minuten in neuer Streckenrekordzeit – Skibergsteiger-Ass Toni Lautenbacher holt sich vor allen etablierten Berglaufcracks den Meistertitel bei den Männern – DLV-Titelkämpfe am Tegelberg in Schwangau

Einen schweren Stand hatten bei den deutschen Berglauf-Meisterschaften am Tegelberg die Titelverteidiger bzw. die vermeindlichen Favoriten. Denn der im vergangenen Jahr in Bühlertal siegreiche Joseph Katib wurde mit fast fünf Minuten Rückstand nur 34., bei den Frauen fehlte die Titelverteidigerin Tina Fischl, die Kronfavoritin Melanie Noll lief ein starkes Rennen, musste sich aber um fast zwei Minuten einer wie entfesselt in neuer Streckenbestzeit von 45:56 Minuten den Tegelberg hinaufstürmenden Michelle Maier geschlagen geben. Neuer Männermeister wurde auf der 8 km langen Strecke mit 920 Höhenmetern der im Skibergsteigen zur internationalen Klasse zählende Toni Lautenbacher vor den etablierten Bergläufern wie Jonas Lehmann oder Benedikt Hoffmann.

Mit 332 Finishern gab es bei den deutschen Meisterschaften im Rahmen des 15. Tegelberglaufes in Schwangau ein gutes Meldeergebnis, sicherlich etwas geschuldet dem „Sommerloch“ mit einer wettkampfarmen Phase mit den Europameisterschaften und den Olympischen Spielen als absolute Höhepunkte des Leichtathletik-Sommers. Mit Toni Lautenbacher nutzte ein Quereinsteiger seine aktuell gute Form in der Vorbereitung auf die anstehende Schneesaison – und gewann nicht zuletzt durch die selektive Schlußphase am Skihang und der Treppenpasse den Titel in 40:36 Minuten. Das Skibergsteiger-Ass konnte niemand auf der Rechnung haben, denn der Tölzer hatte sich erst am Wettkampftag nachgemeldet. Vor Wochenfrist hatte er als Fünfter beim Schlickeralmlauf seine ersten Weltcup-Punkte im Berglauf eingefahren – eine Platzierung, die nach dem fünffachen deutschen Meister Timo Zeiler lange Zeit keiner mehr erreichen konnte.

Ein starkes Rennen lief Jonas Lehmann, der sich dem neuen deutschen Meister um gerade einmal 12 Sekunden geschlagen geben musste. Der Pfälzer verwies dabei den favorisierten Benedikt Hoffmann, der vor wenigen Wochen WM-Fünfter auf der Langdistanz geworden war deutlich auf den Bronzeplatz. Dennoch gab es für Jonas Lehmann am Tegelberg auch eine Meisterschaft zu feiern, denn im Verbund mit dem Routinier Matthias Hecktor und dem jungen tim Könnel holte man für den TuS Heltersberg den Mannschaftstitel vor LAC Quelle Fürth und der LG Brandenkopf, die nur elf Sekunden dahinter folgte.

Eine Überraschung in der Einzelwertung gelang mit nur 14 Sekunden Rückstand hinter Hoffmann der 35jährige Timo Zeiler, der seine internationale Karriere vor zwei Jahren beendete und sich mehr und mehr dem traillastigen Laufen verschrieben hat. „Das hat richtig Spaß gemacht“, kommentierte Timo Zeiler seinen Coup, denn er zeigte sich primär nach dem Vorstoß des außerhalb der Meisterschaftswertung startenden Eritreer Yossief Tekle als Zugpferd für die Verfolgergruppe. „Ich verstehe allerdings nicht, dass gerade die jüngeren Läufer so passiv agierten! Keiner hatte den Mut, etwas zu riskieren!“ 

Der Ostafrikaner, der seit drei Jahren bei der LG Reischenau-Zusam eine neue Heimat gefunden hat, läuft seinem früheren Leistungsniveau (2011 wurde er U20-Weltmeister) nach einer Leistenoperation hinterher und musste mit einem sicherlich enttäuschenden fünften Rang Vorlieb nehmen. Die zuletzt bei der Berglauf-EM eingesetzten Maximilian Zeus und Konstantin Wedel belegten die Ränge sieben und neun.

Nach ihren zuletzt gezeigten Leistungen auf vornehmlich Langdistanzen wie an der Zugspitze oder im Kleinwalsertal galt die 25jährige Michelle Maier schon als Medaillenanwärterin, wurde aber eher hinter Melanie Noll und der U20-Europameisterin und WM-Zweiten Sarah Kistner gehandelt. Doch mit einer ordentlichen Portion Selbstvertrauen ausgestattet, stürmte die Rosenheimerin schon früh an die Spitze und lief mit 45:56 Minuten einen tollen Streckenrekord, der bislang von der Schweizerin Daniela Gassmann-Bahr mit 47:51 Minuten gehalten wurde. Wie stark die Frauenspitze heuer ist, das unterstreichen die Leistungen der weiteren Medaillengewinner: Auch Melanie Noll blieb mit 47:39 noch unter der bisherigen Höchstmarke, die Sarah Kistner mit 48:25 knapp verpasste. Der Juniorin muss man allerdings bescheinigen, dass sie in ihrem ersten Saisonstart schon eine exzellente Form hat, die zu berechtigten Hoffnungen bei der Berglauf-WM Mitte September im bulgarischen Sapareva Banya Anlass gibt.

Zwei 20jährige folgten hinter dem starken Trio bei den Frauen: Nadia Dietz wurde mit 39:36 Vierte vor Elisabeth Fladerer (50:11). Schon auf Rang acht lief das einstige Triathlon-Ass Simone Mortier, die überraschend die W50- Wertung gewinnen konnte. Ein Wiedersehen gab es übrigens mit Anja Carlsohn, die übrigens 2006 an gleicher Stelle deutsche Meisterin wurde und sich am Tegelberg in den Dienst der Mannschaft der LG Brandenkopf stellte, als „Nebenprodukt“ die W35 gewann und mit der Mannschaft hinter dem überragenden Team des PTSV Rosenheim Vizemeisterin wurde.