Überraschende Wende beim eigentlich schon totgesagten Berglauf-Circuit des Berglauf-Weltverbandes WMRA – Die türkische Millionenstadt Bursa wird künftig Finalort des Berglauf-Grand-Prix
Wer kennt es nicht, das alte Sprichwort „Totgesagte leben länger“? Diese Aussage gilt nun gewiss auch für den Berglauf-Grand-Prix. Seit einigen Jahren dümpelt diese in den neunziger Jahren einstmals mit großem Elan mit den Stationen Susa (Italien), Zermatt (Schweiz), Telfes (Österreich) und Bergen (Deutschland) gestartete Serie vor sich hin. Alle Gründungsveranstalter sind derweil nicht mehr im Boot, die Grand-Prix-Macher von einst wie Georg „Bibi“ Anfang, Ernst Künz und Pius Fuchs haben angesichts des Dirigismus des Berglauf-Weltverbandes (WMRA) längst kapituliert und sind zumeist bereits im Veranstalter-Ruhestand. International wenig bekannte Rennen in Slowenien (Smarna Gora Race nahe Ljubljana), Österreich (Feuerkogel-Berglauf in Ebensee, Harakiri-Run in Mayrhofen) und Frankreich (Montée du Grand-Ballon in Willer-s-Thur) sowie die Berglauf-WM in Kamnik (Slowenien) waren aktuell die Wertungsrennen. Bis auf einige wenige professionell arbeitende Berglaufcracks, die die GP-Serie freilich als eine willkommene Zugewinn-Chance gesehen haben, tummelten sich selbst national zweitklassige AthletInnen bei diesem Circuit und tauchten plötzlich unter den Top Ten dieser Serie auf. Doch das soll, wenn es nach dem Willen der WMRA-Funktionäre geht, vielleicht noch nicht in der Saison 2011, aber spätestens im Folgejahr, anders werden. Auf neudeutsch lässt sich das, was in diesen Tagen bei der Wintersession des WMRA-Councils in Monaco passierte, als Relaunch bezeichnen.
Münzel: „Rettung für den Grand-Prix“
Mit der Finanzspritze des türkischen Elektronikkonzerns Vestel A.S. soll nach den Vorstellungen des WMRA der Berglauf-Grand-Prix ab 2012 wieder salonfähig gemacht werden. Die Türken, die auf dem Haushaltsgeräte- und Ekektroniksektor die Marken Techwood, Graetz, Finlux, Luxor und Vestfrost anbieten, haben sich für drei Jahre für ein Sponsoring des Berglauf-Grand Prix entschieden. Die türkischen Elektroniker sind im Sportsponsoring bislang als Finanzier des türkischen Erstligisten Manisaspor hervorgetreten, das Engagement aber 2008 beendet. Als logischer Schluss dieser Liaison im Berglaufen wird ab 2012 das WMRA-Grand-Prix-Finale in Bursa durchgeführt. Die türkische Millionenstadt ist übrigens nach der Berglauf-WM 2006 in dieser Saison auch Ausrichter der Europameisterschaften, die am 10. Juli 2011 stattfinden. „Das ist die Rettung des Grand-Prix“, wertet das deutsche WMRA-Council-Mitglied den Kontrakt mit der Vestel Gruppe. „Vor allem wird es zu einer deutlichen Entlastung der Veranstalter führen, die nicht mehr wie bislang, eine hohe Gebühr zu zahlen haben“. Ohne die Geldspritze aus der Türkei wäre mangels (Veranstalter-)Interesse das Grand-Prix-Abenteuer nach einem kläglichen Ergebnis 2010 beendet worden, das hatte sich bereits während der laufenden Saison 2010 abgezeichnet.
Ahmet Arslan und Andrea Mayr die Sieger in einem schwachen GP 2010
Der vierfache Europameister Ahmet Arslan (Türkei) gewann den Grand-Prix dank seiner drei Einzelsiege in Mayrhofen, Ebensee und Ljubljana mit 386 Punkten klar vor dem Neuseeländer Jonathan Wyatt, der sich heuer mit seinen Starts merklich zurückgehalten hatte und auf 247 Punkte kam. Hinter dem stark auftrumpfenden Schweizer David Schneider (224) dünnte es allerdings derart merklich aus, so dass der schon in Europa nicht mehr zur Spitze zu zählende Roman Skalsky (Tschechien) im lediglich 19 Läufer starken Endklassement schon auf Rang vier folgt. Bei den Frauen ist das Leistungsgefälle noch größer, zumal mit Andrea Mayr mit ihren Einzelsiegen bei den Heimspielen in Ebensee und Mayrhofen und der Weltmeisterschaft in Kamnik auch die derzeit überragende Bergläuferin weltweit mit 340 Punkten und einem klaren Vorsprung vor der weitgehend unbekannten Britin Laureen Jeska (223) die Gesamtwertung gewinnen konnte.
Grand-Prix 2011 eine Notlösung mit drei (!) Bergauf-bergab-Rennen
Für 2011 ist nun zumindest die Fortsetzung des WMRA-Grand Prix mit insgesamt sechs Veranstaltern eine bereits beschlossene Sache, die Veranstaltungsorte stellen hingegen (noch) keine Attraktivitätssteigerung dar. Angesichts der vorliegenden Informationen der WMRA ist 2011 nicht mehr als eine Notlösung zu sein. Alleine drei Wettbewerbe (Arco/ Italien, Smarna Gora/ Slowenien und die WM in Tirana/ Albanien) werden auf einem Bergauf- bergab-Parcours durchgeführt, der in Europa auf zumindest nur bedingtes Interesse stößt. Das Auftaktrennen im italienischen Arco ist im Prinzip nur ein Staffelrennen (!), so dass die Grand-Prix-Interessierten in eine Staffel integriert werden müssen, um überhaupt in eine Wertung gelangen zu können. Rein bergauf führende Wettbewerbe finden in Kamniska Bistrica (Grintovec-Race/ Slowenien), in Mayrhofen (Harakiri-Race/ Österreich) und in Willer-s-Thur (Montée du Grand-Ballon/ Frankreich) statt und dürften nach erster Einschätzung von dem aufgewerteten Grand-Prix stärker profitieren.
WMRA startet Suche nach attraktiven Austragungsorten
Eine finanzielle Entlastung der einzelnen GP-Ausrichter ist ein erster Schritt, der nach der Unterzeichnung des von dem im Weltverband für Marketing zuständigen Council- Mitglieds Erhan Basoglu forcierten Deals mit dem türkischen Elektronik-Konzerns Wettbewerbe vorgenommen wird. „Wir werden auf interessante Veranstaltungen zugehen und ihnen den Grand-Prix-Circuit schmackhaft machen. Warum soll nicht der Großglocknerlauf in Heiligenblut oder der Hochfelln-Berglauf in Bergen wieder im WMRA-Grand-Prix integriert sein? Es ist für den internationalen Berglauf nun eine große Chance, mit interessanten Strecken an namhaften Orten die öffentliche Wahrnehmung zu stärken. Ideal wären sechs Veranstalter in sechs verschiedenen Ländern. Dieses Ziel müssen wir anstreben!“ Für das GP-Preisgeld werden künftig nicht mehr die Veranstalter zur Kasse gebeten, sondern die Finanzierung soll aus den Etats des Leichtathletik-Weltverbandes (IAAF) und des Berglauf-Weltverbandes WMRA genommen werden.