Eindrucksvolle Siege der Streckenrekordler beim ältesten deutschen Berglauf – Genugtuung für Veranstalter Bibi Anfang – DLV-Ass Timo Zeiler Fünfter und dennoch zufrieden stellender Saisonabschluss
Der Saisonabschluss für Jonathan Wyatt und Andrea Mayr als die Topstars der internationalen Berglauf-Szene am Hochfelln im bayerischen Bergen geriet zum Schaulaufen. Nach den Regenfällen in der Nacht zuvor und den tief hängenden Wolken zur Startzeit verließen sich sowohl der Neuseeländer als auch die Österreicherin nichts dem Zufall – und gaben der 37. Auflage des Berglauf-Klassikers am 1674 m hohen Hochfelln vom Start weg das Gepräge. An der Mittelstation hatte Jonathan Wyatt schon eine halbe Minute Vorsprung vor einer kompakten Verfolgergruppe mit dem Italiener Antonio Toninelli, dem Tschechen Robert Krupicka, dem Polen Andrzej Dlugosz und dem dreifachen deutschen Meister Timo Zeiler. Bei den Frauen gab es für die dreifache Weltmeisterin aus Wien keine ernsthafte Konkurrenz, zumal die an für sich starke Italienerin Antonella Confortola nach ihrem Vortageserfolg am Schneeberglauf schon leicht angezählt schien und keine ernsthafte Gegnerin war.
Mit 43:07 Minuten und einem souveränen Vorsprung von 43 Sekunden vor dem wie auch im Vorjahr erneut stark auftrumpfenden Antonio Toninini sicherte sich der siebenfache Weltmeister Jonathan Wyatt den achten (!) Sieg am Hochfelln. Seine Rekordmarke aus dem Jahr 2004 verpasste er allerdings um zweieinhalb Minuten. Den spannenden Kampf um Rang drei gewann Robert Krupicka vor Andrzej Dlugosz, der den Schlussangriff von Timo Zeiler gerade noch abwehren konnte. „Mit diesem Resultat kann ich leben“, gestand der Schwabe im Trikot der Frankfurter Eintracht. „auch wenn ich gerne auf dem Treppchen der drei Tagesschnellsten gestanden hätte. Doch nach dem Verlauf der Saison muss ich damit zufrieden sein!“ Mit Korbinian Schönberger (LLC Marathon Regensburg) auf Rang neun platzierte sich zumindest noch ein weiterer Deutscher unter den ersten Zehn beim einzigen deutschen Berglauf internationalen Zuschnitts. „Schade, dass unsere Deutschen diese einmalige Chance auf einen internationalen Vergleich nicht wahrgenommen haben. Ich frage mich dabei allerdings, wo wollen diese denn überhaupt starten wenn nicht hier!“ ärgerte sich Bibi Anfang über die doch eher mäßige Resonanz bei den Athleten der deutschen Nationalmannschaft.
Bei ihrem Alleingang lief zwar Andrea Mayr in 49:29 Minuten um zwei Minuten an ihrem Streckenrekord vorbei, war aber mit ihrem Auftritt dabei ebenso zufrieden wie zuvor Jonathan Wyatt. „Ich habe in dieser Saison mit dem WM-Titel mein Ziel erreicht, auch wenn ich gerne in Barcelona bei den Europameisterschaften im 3000 m Hindernislauf oder über Marathon gerne dabei gewesen wäre“, bekannte die Ärztin freimütig. „Aber mit einer Vollzeit-Anstellung ist es nicht mehr so leicht, auf dem gewohnten Niveau zu laufen. Da muss man einfach Prioritäten setzen!“ Nach der letztlich mit über fünf (!) Minuten zurück folgenden Skilanglauf-Weltklasseläuferin Antonella Confortola mussten die wenigen Zuschauer bei nur zwei Plusgraden auf dem Hochfellngipfel fast drei weitere Minuten warten, bis die Drittplatzierte ins Ziel einlief. Und diese war zur Überraschung aller die bereits 42jährige Ärztin Ellen Clemens, die ihre ebenso im Team Salomon laufende Kollegin Veronika Ulrich auf den vierten Rang verweisen konnte.
Auch wenn in einer Woche im slowenischen Smarna Gora mit dem Grand-Prix-Finale noch ein internationales Rennen sowohl für Jonathan Wyatt als auch für Andrea Mayr folgen wird, den emotionalen Schlusspunkt unter die Berglauf-Saison 2010 durfte traditionsgemäß der Hochfelln-Berglauf im südöstlichen Zipfel Deutschlands setzen. Denn kein Veranstalter hat sich wie das bayerische Urgestein Georg „Bibi“ Anfang derart vehement mit Erfolg gegen die zugegeben wenig nachvollziehbare Grand-Prix-Politik des Berglauf-Weltverbandes WMRA gestellt wie der eigensinnige Grantler aus Bergen im Chiemgau. Die werbeträchtigen Begriffe „Grand-Prix“ oder „Grand-Prix- Finale“ zieren nach wie vor Plakate wie auch Startbanner unweit der Talstation der Hochfellnbahn, davon ist Anfang nicht (mehr) abzubringen, auch wenn seine Berglauf-Veranstaltung, sicherlich gespickt mit Athleten aus der internationalen Berglauf-Szene, seit Jahren nicht mehr im Reigen des Grand-Prix-Circuits eingebunden ist. Das Regularium des zumeist sechs Veranstaltungen umfassenden Grand-Prix ist für ihn ein „Schmarrn“, durchgeführt mit „No name-Veranstalter“ – längst Auffassung vieler namhafter Organisatoren, weshalb sich die „Großen“ wie der Großglocknerlauf in Heiligenblut, der Drei Zinnen-Lauf im Südtiroler Sexten, der Matterhornlauf in Zermatt oder der Schlickeralmlauf im Stubaital längst aus dem Jahr ums Jahr bedeutungsloseren Circuit nach und nach verabschiedet haben. Und ohne die kurze Leine des Weltverbandes weitaus besser dastehen wie unter der Obhut des WMRA. Seine umtriebigen Kontakte im Verbund mit einem fairen und ausgewogenen Prämiensystem machen es alljährlich für zahlreiche Topstars der Berglaufszene zum „Muss“ zum Saisonende.