Ostafrikanische Läufer mischen die Berglaufszene auf

Läufer aus Kenia, Eritrea und Äthiopien bestimmen mehr und mehr auch die Berg- und Landschaftsläufe – Trailläufe auf dem Vormarsch, klassische Bergläufe stagnieren – Eine Halbzeitbilanz

Eigentlich ist es ein gewohntes Bild: Die Vertreter der laufaffinen Länder Ostafrikas bestimmen die internationale Laufszene auf der Straße, im Stadionoval und im Cross – und nun auch verstärkt bei Berg- und Landschaftsläufen. Laufzeit-Mitarbeiter Wilfried Raatz hat zur Halbzeit der Berg- und Landschaftslaufsaison eine Zwischenbilanz gezogen und ist neben den afrikanischen Läufern aber auch auf „Wiederholungstäter“ aus den Alpenanrainern gestoßen.

Widrige Witterungsbedingungen im April, Mai und Juni haben so manchem Berglaufveranstalter erhebliche Sorgenfalten bereitet, denn Streckenverkürzungen wie beim Gamperney-Berglauf in Grabs, beim Aletsch- Halbmarathon auf der Bettmeralp und beim Zugspitz-Extrem-Berglauf oder gar komplette Streckenveränderungen wie beim Graubünden-Marathon in Lenzerheide waren ebenso an der Tagesordnung wie auch Komplett-Absagen wie beim Feldberglauf im hessischen Oberursel.

Die Siegerlisten führten jedoch die bekannten „Verdächtigen“ der Szene an. Hier stürmt ein David Schneider samstags beim Kreuzegg-Berglauf als Sieger über die Ziellinie wie tags darauf beim Gamperney-Berglauf und ist spätestens nach seinem zweiten Rang beim Grand-Prix-Rennen am Grand Ballon im Elsaß hinter dem Vize- Weltmeister Azerya Teklay aus Eritrea ein Anwärter auf eine Medaille bei den Europameisterschaften in Borovets (Bulgarien). Dort ist es der deutsche Korbinian Schönberger im Trikot des LLC Marathon Regensburg, der die nationalen Ereignisse in Garmisch-Partenkirchen (Osterfelder Berglauf), Oberstdorf (Nebelhorn-Berglauf), Mittenwald (Karwendelberglauf) und Füssen (Tegelberglauf) zwar dominierte, aber die Europameisterschafts- Qualifikationen wegen einer Knieverletzung verpasste und somit nicht im deutschen Team in Bulgarien an den Start gehen konnte. Auffällig aber auch die Italiener, die bei den Europameisterschaften in Borovets durch Bernard Dematteis und Alex Baldaccini zum Doppelsieg kamen, sich aber bei den international bekannten Rennen im Vorfeld kaum blicken ließen. Alleine der Shootingstar Baldaccini lief beim Montée du Grand Ballon (Frankreich) als Dritter und bei Neirivue-Le Móleson (Schweiz) als Sieger auf das Podest.

Bei zahlreichen (Preisgeld trächtigen) Veranstaltungen traten vor allem die Eriträer Petro Mamo und Azerya Teklay in bestechender Verfassung auf und ließen mit zum Teil erheblichem Vorsprung ihren gewiss namhaften Konkurrenten nicht die Spur einer Chance. Mamo, der Weltmeister von Valle Camonica (Italien) des Jahres 2012, lief beim Schlickeralmlauf im Stubaital zwei bzw. vier Minuten vor den starken Kenianern Isaak Torotich Kosgei und Geoffrey Gikuni Ndungu ins Ziel am Kreuzjoch, beim Großglockner-Berglauf waren es sogar auf die beiden Kenianer drei und fünf Minuten Distanz – und dies auf einer Länge von elf oder zwölf Kilometern. Sein Landsmann Azerya Teklay, Vizeweltmeister der Jahre 2010 und 2012, demonstrierte indessen seine Klasse mit zwei Siegen bei den Grand-Prix-Wettbewerben am Grand Ballon im Elsass und beim Grintovec-Race in Ljubljana. Überraschender Weise brachte der Allgäuer Michael Barz, der sich vor allem in Steilpassagen am wohlsten fühlt, dem Kenianer Isaak Torotich Kosgei beim zur Station Sonnalpin verkürzten Zugspitz-Extrem-Berglauf eine Niederlage bei.

Die attraktiven Hochgebirgsläufe über die Marathondistanz und länger waren jedoch zumeist in der Hand der Routiniers. So behauptete sich in Zermatt erneut der Kenianer Paul Maticha Michieka, beim LGT-Marathon zum vierten Mal der Schweizer Patrick Wieser und beim Swissalpine über die 77 km lange Königsstrecke nun bereits zum siebten Mail der Schwede Jonas Buud. Wiedergekehrt ist der frühere Orientierungs-Weltmeister und Langdistanz-Weltmeister 2009 Marc Lauenstein (Schweiz), der nach starken Auftritten beim Graubünden- Marathon und bei Sierre-Zinal wieder zu einem wichtigen Sieganwärter geworden ist. 

Bei den Frauen indessen ist die Situation klarer denn je: Die österreichische Allroundläuferin Andrea Mayr mit einer Palette von 3000 m Hindernis bis Marathon ist als Berglauf-Weltmeisterin das Nonplusultra der Szene. Bei den Europameisterschaften in Borovets zeigte sie selbst den starken Italienerinnen um die Bergauf-bergab- Weltmeisterin Valentina Belotti ihre Sonderstellung mit einem Vorsprung von einer Minute auf. In gemischten Rennen wie am Großglockner oder beim Schlickeralmlauf kommt sie regelmäßig direkt nach den tagesschnellsten Männern ein und muss keine Konkurrenz aus Kenia fürchten. Vornehmlich regional im Einsatz ist hingegen die 2011er Europameisterin Martina Strähl, die die Top-Jura-Tour nach Belieben beherrscht, auf europäischem Terrain allerdings nicht mehr in der ersten Reihe steht. Daniela Gassmann-Bahr als starke Siegerin beim Glacier 3000 Run und vor allem Jasmin Nunige sind die aktuellen Stars auf den längeren Berg-Distanzen. Vor allem die 40jährige frühere Skilangläuferin Jasmin Nunige lässt ihrer Lauffreude beim LGT-Marathon mit 8 Minuten Vorsprung, beim Graubünden-Marathon mit 19 Minuten und letztlich beim Swissalpine mit 41 Minuten freien Lauf. Mit ihren Erfolgen beim Zermatt-Marathon und bei Sierre-Zinal ist die Französin Aline Camboulives offensichtlich gerüstet für den Laufherbst mit dem bevorstehenden Jungfrau-Marathon von Interlaken zur Kleinen Scheidegg.

Es scheint jedoch, als würden spektakuläre Trail-Veranstaltungen wie der Zugspitz-Ultratrail, die Salomon-4-Trails oder der Eiger-Ultratrail den klassischen Langstreckenrennen zur echten Konkurrenz werden und zu den Ultradistanzen neigende Läufer scharenweise abziehen können. Stagnierende bzw. leicht rückläufige Teilnehmerzahlen bei den traditionellen Veranstaltungen verdeutlichen diesen Trend. Aber damit ist keineswegs gesagt, dass alleine Trail-Events zum Selbstläufer werden, denn andere Newcomer wie der Swiss Irontrail kämpfen derweil um Reputation nach dem abgebrochenen Premierenstart im vergangenen Jahr.