Jasmin Nunige gewinnt zum siebten Mal den Swissalpine

Nach MS-Schub kehrt das einstige Skilanglaufass bei ihrem Heimrennen auf die Siegerstraße zurück – Vajin Armstrong schafft im vierten Anlauf den Sieg und bezwingt dabei den Vorjahressieger Evgenii Glyva – Bilderbuchwetter in Davos zum 31. Swissalpine

„Ich bin unglaublich glücklich“, gestand Jasmin Nunige im Ziel im Sportzentrum Davos. In 7:05:41 Stunden bestand die frühere Weltklasse-Skilangläuferin nur wenige Wochen nach einem neuerlichen MS-Schub eine besondere Herausforderung und ein weiterer Beleg für ihre mentale Stärke. „Es war für mich eine ungewohnte Anspannung, denn ich wusste einfach nicht, wie es mir auf einer derart langen Distanz gehen würde. Zumal ich erst nach einem guten Trainingsprogramm am letzten Dienstag letztlich erst meine Startzusage gegeben habe!“
Selten hatte man die 43jährige Davoserin am Start derart konzentriert und in sich gekehrt gesehen wie an diesem Samstagfrüh im Sportzentrum Davos. Doch die besondere Herausforderung löste Jasmin Nunige mit Bravour. Vor fünf Jahren war sie an Multipler Sklerose erkrankt und seitdem immer wieder von tückischen Schüben heimgesucht – kehrte zurück in die Erfolgsspur im vor allem ultralangen Gebirgslaufen, aber auch als erfolgreiche Marathonläuferin wie zuletzt in Berlin.  Jasmin Nunige genoss sichtlich ihren siebten Erfolg auf der Königsdisziplin beim Swissalpine, dem Lauf über 76,5 km und 2660 Höhenmeter von Davos über siebten Triumph über die K78 Distanz seit 2005.
„Für mich war dies ein Test, ob ich überhaupt zum Ultravasam 90 in drei Wochen fahren kann“, blickt Jasmin Nunige bereits wieder voraus. Im Vorjahr dominierten mit Jasmin Nunige und Jonas Buud die beiden Dominatoren des Swissalpine. Apropos Jonas Buud. Auf den Schweden warteten die Veranstalter in Davos vergebens, die zugeteilte Startnummer 2 blieb am Ausgabeschalter liegen, denn der Schwede hatte kurzfristig wegen einer Verletzung abgesagt.
Doch wieder zurück zur Swissalpine-Queen, die mit nunmehr sieben Siegen nur noch drei Erfolge von der Rekordgewinnerin Birgit Lennartz zurückliegt, die das spektakuläre Rennen zwischen 1990 und 2001 mit zwei Unterbrechungen (1991, 1993) gewinnen konnte.  „Ich hatte in keiner Phase des Rennens eine Krise, mir fehlt allerdings die Spritzigkeit. Ich bin kontrolliert ins Rennen gegangen und konnte mich auch mit dem deutlich langsameren Tempo früh absetzen. Der Schluss ist einfach immer wieder sehr hart!“
Dabei hatte die Saison 2016 für die 43jährige glänzend begonnen: Sieg beim Ecotrail in Oslo über 80 km mit einem Vorsprung von einer (!) Stunde, zwei Siege bei Trailläufen in Frankreich – bevor der kapitale Rückschlag kam. Und Ehemann Guy Nunige, der seine Frau als früherer Topläufer auf den Mittelstrecken an mehreren Punkten der Strecke beobachtete, rundete den erstaunlich starken Eindruck von Jasmin bei der perfekten Rückkehr in die Laufszene ab: „Ich habe großen Respekt vor dieser Leistung. Wichtig ist sicherlich auch, dass wir Jasmin in der Familie einen großen Halt geben können!“ 

Fast 15 Minuten holte sie auf die zweitplatzierte Andrea Huser, der letztjährigen Irontrail-Siegerin, und Vorjahreszweiten beim Swissalpine heraus. Und von welcher Qualität ihre Leistung ist, das zeigt sich auch im Quervergleich mit den Männern: Nur vier Männer liefen auf den 76,5 km und 2650 Höhenmeter von Davos über Filisur, Bergün und den Kulminationspunkten Keschhütte und Sertigpass schneller!
Andrea Huser, in knapp einer Woche wiederum beim Swiss Irontrail über 201 Kilometer am Start sein wird, begann wie Jasmin Nunige das Rennen eher defensiv, lag zeitweise auf Rang fünf, um schlussendlich auch die couragiert laufende Deutsche Susanne Wings, die seit einigen Jahren nahe Thun lebt und mit dem Schweizer 12 h-Meister Samuel Nef verheiratet ist, auf den dritten Rang zu verweisen. Vor wenigen Wochen erst hatte die promovierte Pharmakologin mit ihrem Sieg beim Zermatt Ultra über 45 km und 3089 Höhenmeter schon für eine erste Überraschung gesorgt.

„Ich bin das erste Mal hier richtig happy!“, gestand der Neuseeländer Vajin Armstrong freudestrahlend beim Siegerfoto mit Jasmin Nunige.  Sein Fokus auf den Swissalpine mit zahlreichen Vorbereitungsrennen in Europa ist vollends aufgegangen. „Ich bin drei Mal gestartet in Davos und war eigentlich nie zufrieden gewesen“, erklärte der 36jährige K78-Sieger, der nach Rang zwei (2014) und drei (2015) diesmal auf dem ersten Siegerpodest stehen konnte. Sein Konzept? Er ließ den Vorjahressieger Evgenii Glyva nur auf Sichtweite vorauslaufen, in Bergün betrug sein Rückstand gerade einmal 53 Sekunden. „Ich mag die steilen Anstiege“, erklärte der Teilzeitprofiläufer aus Christchurch, der dort mit einem Kollegen ein Musikgeschäft besitzt und zum Teil auch exotische Musikinstrumente verkauft. Und eben diese Stärke spielte Vajin Armstrong zwischen Chants und der Keschhütte aus, als er gegen Glyva fast vier Minuten Vorsprung herauslaufen konnte. Und gab weiter Vollgas, denn am Sertigpass lag er bereits 14 Minuten vor dem Ukrainer. Im Ziel wurden für den nach Jonathan Wyatt bekanntesten Berg- und Landschaftsläufer 6:25:23 Stunden registriert, 16 Minuten später folgte der entthronte Champion 2015, dem der stark laufende Schweizer Bernhard Eggenswchwiler bis auf drei Minuten nahekam. 
Stephan Wenk (K42), Gion Andrea Bundi (S42) und Daniel Lustenberger (K21) sorgten hingegen für Triumphe Schweizer Läufer. Überragend dabei Stephan Wenk, der nach seinem Osteopathie-Studienabschluss in England wieder in die Schweiz zurückgekehrt ist, und in 3:26:23 Stunden die Marathonstrecke von Bergün nach Davos mit 1830 Höhenmetern in neuer Rekordzeit und einem Vorsprung von 33 (!) Minuten zurücklegen konnte. „Seit meiner Graduation kann ich befreit laufen – und das zeigt sich natürlich in diesem Ergebnis heute“, gestand das frühere Berglauf-Nationalkader-Mitglied.

Wesentlich enger ging es in der neuen Kategorie S42 zu, die im vergangenen Jahr Premiere feiern konnte. Der höchst gelegenste Marathon Europas, der von Davos über den Scalettapass und den Sertigpass führt und 1450 Höhenmeter aufweist, ist schon bei der 31. Auflage mit knapp 800 Startern zum am Stärksten besetzte Rennen im zehn Wettbewerbe umfassenden Swissalpine-Programm mit 4 600 Teilnehmern geworden. Der ehemalige Skilangläufer Gion-Andrea Bundi gewann sein Heimspiel zum fünften Mal in diesmal 3:33:42 Stunden äußerst knapp gegen den St. Galler Fabian Downs mit einem Vorsprung von 17 Sekunden.
Davos als Ersatz für Rio de Janeiro – das ist die Laufalternative für eine sichtlich gefrustete Simona Staicu, die nach ihrer Nicht-Nominierung für den olympischen Marathon kurzentschlossen nach Davos reiste, um dort den S42 in 4:13:37 Stunden und 13 Minuten Vorsprung die Marathondistanz zu absolvieren.
Traditionell testen sich die heimischen Skilangläufer um den dreifachen Olympiasieger Dario Cologna beim Swissalpine, allerdings auf der „kurzen“ Halbmarathondistanz, die nach der Startverlegung nach Klosters 610 Höhenmeter aufweist. Diesmal war die „zweite Garde“ am Start: Für Livio Bieler, Jonas Baumann und Toni Livers gab es dabei beachtliche Plätze in der ersten Verfolgergruppe auf den Berglauf-Nationalmannschaftsläufer Fabian Lustenberger, den Schweden Marten Boström und den Liechtensteiner Arnold Aemisegger.