Hoher Promifaktor beim Jubiläumslauf in Bühlertal

Melanie Noll schlägt Marathonass Anna Hahner eindrucksvoll – Britischer Weltklasseläufer Robbie Simpson überlegener Jubiläumssieger – Benedikt Hoffmann und Melanie Noll dominieren beim Auftakt des Schwarzwald-Pokals 2016 am Kandel in Waldkirch
Hoher Promifaktor beim Jubiläumslauf in Bühlertal. Der britische WM-Dritte und EM-Vierte und Vorjahreszweite Robbie Simpson darf berechtigter Weise mit der Startnummer 1 ins Rennen gehen und rechtfertigt diese Auszeichnung mit einer überlegenen Vorstellung zum Tagessieg beim Hundseck-Berglauf. Die aktuell beste deutsche Bergläuferin Melanie Noll nutzt ihre aktuell starke Form und schlägt in einer beeindruckenden Weise das erst wenige Stunden vor dem Start eingeschriebene Marathonass Anna Hahner. Zur 40. Auflage des Traditionslaufes im Nordschwarzwald über 9,5 km und 776 Höhenmetern nahm man beim TV Bühlertal natürlich gerne diesen Promifaktor auf, denn ein Jahr nach der Ausrichtung der deutschen Meisterschaften 2015, einem weiteren Glanzpunkt einer eindrucksvollen Leistungsbilanz mit Masters-WM und deutschen Meisterschaften, ist es partout nicht leicht, das vorgelegte Niveau zu bestätigen. Der Hundseck-Berglauf zählt übrigens auch zum Schwarzwald-Berglauf-Pokal, einer Serie von siebgen Veranstaltungen.
Ohne den befürchteten Witterungseinbruch zu Pfingsten waren letztlich die Bedingungen zum Jubiläumslauf gut, wenngleich es auf den beiden Schlusskilometern über den Skihang hinauf zum Mehliskopfturm stark nebelig war und die Temperaturen im einstelligen Bereich lagen. Im oberen Bereich war zumindest stellenweise Trittfestigkeit gefordert, denn auf dem schmalen Bergpfad quer zum Skihang rutschte so mancher Läufer unfreiwillig aus.
Im Rennen selbst kam es freilich so, wie es zu erwarten war: Vorweg der Schotte Robbie Simpson, der vor drei Wochen noch beim London-Marathon mit 2:15:38 Stunden das angestrebte Ziel, sich mit einer Zeit unter 2:14 für das britische Olympiateam für Rio de Janeiro zu qualifizieren, verpasste, aber für einen Berglauf- Spezialisten ein starkes Resultat am Buckingham Palace erreichte. Hinter dem prominenten Briten tat sich allerdings lange Zeit wenig, denn die mehrköpfige Verfolgergruppe ohne klare Favoriten erreichte mit Alessandro Collerone (6.), Maximilian von der Lippe (3.), Alexander Grigo (2.), Roland Golderer (5.)  und Simon Schmider (8.) fast drei Minuten später das Ziel am Mehliskopfturm auf 1007 m Höhe. „Bindeglied“ zum mit Spannung erwarteten Duell zwischen Melanie Noll und Anna Hahner spielte dabei mit Bravour der 17jährige Julius Hild, zuletzt deutscher Crossmeister in Herten und ambitioniert für einen Start bei der Berglauf-WM im September in Sapareva Banya in Bulgarien. Als Gesamtvierter (!) übertraf er letztlich die Erwartungen deutlich und düpierte dabei so manchen Routinier der Berglaufszene. 
Überhaupt spielten die jungen Läufer des SSC Hanau-Rodenbach im Konzert der etablierten Bergläufer am Mehliskopf eine beachtliche Rolle. Die Namen Julius Hild, Marius Abele und Lisa Oed wird man sich jedenfalls merken müssen, denn die drei U18-Talente könnten vielleicht schon in naher Zukunft bereits in die Fußstapfen der einstigen Berglauf-Asse wie Lisa Reisinger, Kerstin Straub, Uli Steidl, Carsten Arndt oder Thomas Seibert treten. Auch wenn der DLV in Bühlertal für die (bergauf-/bergabführende) U20-EM und (rein bergaufführende) – WM eine Art Sichtung vorgesehen hatte, von den verantwortlichen Trainern jedenfalls war niemand vor Ort, der sich einen Eindruck von der Leistungsstärke der Kandidaten hätte machen können. Was folglich bleibt, das sind die abgelieferten Platzierungen inmitten des Gesamteinlaufes und die Abstände zu x oder y. Aber auch so, ein Vergleich ist kaum möglich, denn der Hundseck-Berglauf führt über 9,5 km und 776 Höhenmeter. International sind die Streckenlängen mit 4 und 6 km für die U20-Kategorien ungleich kürzer und sicherlich eher technisch anspruchsvoller.
Mit dem erst 16jährigen Marius Abele lief auf Position sieben ein weiteres Berglauf-Talent unter die Top 10.
Doch nun zum reizvollsten Duell der Veranstaltung: Das Aufeinandertreffen zwischen der Bergspezialistin Melanie Noll und dem Marathonass Anna Hahner endete etwas überraschend deutlich für Melanie. Mit einer Differenz von fünfzig Sekunden endete ein erster Quervergleich mit klaren Vorteilen für die deutsche Berglaufmeisterin des Jahres 2013 und mehrfache EM- und WM-Starterin aus der Pfalz. Als Gesamtzehnte benötige die 32jährige Bankangestellte aus Annweiler 48:30 Minuten und kam angesichts des großen Konkurrenzdrucks klar unter ihrer Vorjahreszeit von 49:04 ins Ziel. Vor einem Jahr wurde sie überraschend deutlich hinter Tina Fischl und Nicole Kruhme nur Dritte.
In Begleitung ihres Trainers Thomas Dold finishte Anna mit fünfzig Sekunden Rückstand zwei Plätze hinter Melanie Noll – und zeigte sich bestens gelaunt. „Cool. Berglaufen ist etwas ganz Anderes, weil man hier wesentlich stärker auf seinen Körper hören muss!“ Und zeigte sich als Fan von Melanie Noll, die nach einem frühen Tempovorstoß ihrer Konkurrentin schon nach drei Kilometern an die Spitze gehen konnte. „Ich habe immer wieder nach vorne geschaut und dabei ihren Schritt imitiert, denn sie ist mega effizient gelaufen! Bei den Anstiegen habe ich gemerkt, dass ich in meinen Rhythmus komme – und das ging gut!“ Anna Hahner, die nach wie vor im Unklaren über ihre Olympianominierung ist, kann sich durchaus vorstellen, einen weiteren Versuch „am Berg“ zu starten. Schließlich lebt sie mit ihrer Zwillingsschwester Lisa in Gengenbach im mittleren Schwarzwald. „Der Hundseck-Berglauf hat mir auf jeden Fall gut getan, schließlich bin ich wegen der in der Schwebe stehenden Nominierung etwas orientierungslos….“. Fakt ist, dass der Deutsche Leichtathletik- Verband erst Ende Mai über die Besetzung des dritten Startplatzes beim olympischen Marathonlauf entscheiden möchte. Denn in der Darmstädter Leichtathletik-Schaltzentrale erwartet man praktisch von Tag zu Tag die Einbürgerung der früheren Wien-Marathonsiegerin Fate Tola, einer gebürtigen Äthiopierin – womit dann die Olympiaträume von Anna Hahner allerdings ausgeträumt wären. Mit Ruhe und Gelassenheit konterte Melanie Noll den frühen Vorstoß der rein läuferisch klar überlegenen Anna Hahner – und zeigte dabei ihre große Leistungsfähigkeit beim Berglauf. „Natürlich bin ich etwas überrascht, dass ich mich gegen so eine Topläuferin durchsetzen konnte. Aber alleine der Start von Anna ist für den Berglauf unbedingt gut!“ Und nahm’s mit Freude zur Kenntnis, die Tatsache nämlich, dass sie zudem deutlich schneller den Aufstieg zum Mehliskopfturm geschafft hatte.
Im Schatten des „großen Duells“ zweier Laufstars unterschiedlichen Kalibers trumpfte die erst 20jährige Katrin Köngeter als Gesamtdritte gehörig auf. Vor Wochenfrist erst gewann die Unterkirnacherin mit Studienort Villingen-Schwenningen den stark besetzten Schluchseelauf – und blickt mit Vorfreude bereits auf den Gutenberg-Marathon, wo sie am kommenden Sonntag über die Halbmaratondistanz möglichst eine Medaille bei den zugleich ausgetragenen Deutschen Hochschulmeisterschaften gewinnen möchte.
Apropos Nachwuchs. Gut achtzig Sekunden hinter der zweifellos talentierten und trainingsfleißigen Katrin Köngeter folgte am Mehliskopfturm mit der 17jährigen Lisa Oed eine weitere Laufhoffnung. Dies freilich nicht vorrangig im Berglauf, sondern vielmehr auf den Mittelstrecken 1500 m und 3000 m auf dem Stadionoval, wo sie national zu den besten Läuferinnen zählt. Nach dieser Leistung in Bühlertal ist allerdings eine Nominierung für die Berglauf-WM zusammen mit ihren SSC-Vereinskollegen Julius und Marius keineswegs mehr utopisch.
Den Auftakt zum im südwestdeutschen Raum beliebten Schwarzwald-Berglauf-Pokal machte übrigens zwei Wochen zuvor der Kandel-Berglauf in Waldkirch, wo es auf der auch im Radsport beliebten Asphaltstrecke zum 1245 m hohen Kandel über 12,2 km und 940 Höhenmeter ging. Unser Foto zeigt das Startprocedere auf dem historischen Marktplatz. Und die Tagessiege gingen dabei neben dem zuletzt auch den Freiburg-Marathon gewinnenden Benedikt Hoffmann an – Melanie Noll, die als dritte Läuferin in der 35 Jahre alten Tradition dieses Laufes überhaupt unter einer Stunde im Ziel war.