Im Zillertal hat sich ein feines Berglauf-Spektakel zum bestbesetzten Berglauf Europas innerhalb von nur drei Jahren entwickelt – 22 Nationen in Mayrhofen am Start – Lisa Reisinger holt als Dritte erstmals Grand-Prix-Punkte
Der Name ist schon etwas verrückt – und bereits zur dritten Auflage Kult. In der Tourismusregion Zillertal mit eher betagten vornehmlich Reisebus-Sommergästen und einer (trinkfesten) Spaßgesellschaft im Winter hat sich nach drei Jahren ein Berglauf-Spektakel entwickelt, das sich angesichts der Spitzenbesetzung mit dem Untertitel „bestbesetzter Berglauf Europas“ schmücken kann. Vielleicht ist dies auch bereits der weltweit bestbesetzter Berglauf, den Parallelen sind aktuell nicht bekannt. Vielleicht muss auch nur ein im positiven Sinne verrückter Macher wie der sich als Sport- und Tourismusconsulter bezeichnende Andreas Tomaselli kommen, der einen etwas anderen Lauf auf einen Berggipfel veranstaltet, garniert mit einem etwas schrillen Zubehör – und vor allem mit einem Titel, der nach Abenteuer und Herausforderung schmeckt.
Weltmeister, Europameister, nationale Meister, Grand-Prix-Sieger sowie noch einige Läufer aus der Du-und-Ich- Kategorie – bunter lässt sich die Schar der Starter bei der dritten Auflage des Harakiri-Berglaufs nicht charakterisieren. Der Begriff Harakiri beim außergewöhnlichen Berglauf-Ereignis in Mayrhofen steht vordergründig für die steile Skiabfahrt von bis zu 78 Prozent Gefälle, die natürlich zum Teil in umgekehrter Richtung absolviert werden muss, andererseits wohl aber auch für die im Kamikaze-Stil zu bewältigende, schroff bergauf- und bergabführende Schlusspassage nach der Bergstation am Penken.
Beim Feuerwerk der Weltklasse setzte sich beim serpentinenartigen Aufstieg zur Bergstation der Plenkenbahn in 1800 m Höhe mit dem Eriträer Azarya Weldemariam der Vizeweltmeister 2010 in der neuen Streckenbestzeit von exakt 50:00 Minuten durch. Der Vorjahressieger und fünffache Europameister Ahmet Arslan hatte nach einem spannenden Duell als Zweiter einen Rückstand von 23 Sekunden auf den Ostafrikaner. „Azarya hat sich in der Flachpassage nach fünf Kilometern absetzen können, weil er einfach grundschneller als ich ist“, zuckte ein doch etwas enttäuschter Ahmet Arslan resignierend mit den Schultern. „Ich bin zwar im Steilen wieder etwas herangekommen, doch es hat einfach nicht gereicht. Mir hat eine Woche nach dem Grand-Prix-Rennen in Slowenien auch etwas die Frische gefehlt“. Für den sieggewohnten Türken aus Antalya eine eher ungewohnte Situation, schließlich läuft der 25jährige Profiläufer bei seinen (wenigen) Starts in Europa von Sieg zu Sieg.
Im Duell mit den in Österreich stationierten Kenianern Geoffrey Gikuni Ndungu und Isaak Toritich Kosgei zog der siebenfache Weltmeister Jonathan Wyatt zwar einmal mehr den Kürzeren, zeigte sich aber über Rang fünf nach einer langwierigen Srpunggelenks-Verletzung zufrieden. „Mir fehlt natürlich noch die Schnelligkeit und die Kraft für die steilen Passagen, aber das ist mehr als ich angesichts des Topfeldes erwarten konnte“, freute sich der Neuseeländer über Rang fünf. Überraschend stark zeigten sich die Österreicher Simon Lechleitner und Alex Rieder beim „Heimspiel“ in Mayrhofen auf den Plätzen neun und zehn. Dagegen läuft der deutsche Meister Timo Zeiler weiterhin unter Wert. „Mein Fokus ist auf den Glacier 3000 Run in einer Woche gerichtet. Deshalb fehlt mir etwas die Tempohärte“, erklärt der Mannheimer, der auf Rang 16 allerdings schon vier Minuten hinter seinen österreichischen Konkurrenten einlief. „Ich habe wegen meiner beruflichen Belastungen in diesem Jahr einfach nicht die Form aufbauen können, die in einem Klassefeld wie diesem erforderlich ist, um unter die Top 10 zu kommen!“
Bei den Frauen war Antonella Confortola eine Klasse für sich. „Ich liebe die steilen Passagen, da kann ich meine Stärken ausspielen!“ Die Lebensgefährtin von Jonathan Wyatt erlebt in diesem Sommer ein absolutes Berglauf- Hoch, schließlich gewann sie bereits Silber bei den Berglauf-Europameisterschaften in der Türkei. So wie es aussieht, wird der italienische Skiverband allerdings nun auch die wegen ihres Alters vorgenommene Ausmusterung für die anstehende Wintersaison wieder rückgängig machen. „Eigentlich wollte ich mich mehr dem Berglauf widmen und mit Jonathan interessante Rennen laufen!“ so die 36jährige Olympia-Staffeldritte. Mit 1:02:50 Stunden blieb die im Val die Fiemme beheimatete Antonella Confortola nur 35 Sekunden über dem Streckenrekord der Weltmeisterin Andrea Mayr, die wegen einer langwierigen Verletzung nicht am Start war.
Im spannenden Kampf um Rang zwei musste sich die deutsche Meisterin Lisa Reisinger („Die steilen Bergläufe liegen mir einfach!“) auf dem selektiven Kurs im Schlussteil der aktuellen Grand-Prix-Ersten Lucija Krkoc aus Slowenien beugen, zeigte sich aber mehr als zufrieden. „Die Bergabpassen haben mir das Genick gebrochen. Da hatte ich einfach Schiss…!“ formulierte es die unweit von Kempten lebende Hessin. Sie verzichtet auf die Fortsetzung der gerade auf Hochtouren laufenden Saison und fährt zu einem sechswöchigen Radurlaub nach Korsika. „Ob ich anschließend noch weitere Rennen laufe, das werde ich spontan entscheiden“. Lisa Reisinger blieb im leistungsstarken Frauenfeld noch vor der US-amerikanischen Vorjahressiegerin und Langdistanz- Weltmeisterin Brandy Erholtz und weiteren namhaften Spezialistinnen wie der Slowenin Matea Kosovelj (6.) oder den Britinnen Emma Clayton (9.) und Lauren Jeska (12.).
Apropos Weltklasse. Zum Stell-dich-ein der Topläufer gesellte sich mit Andreas Goldberger auch das einstige Skisprung-Ass. Mit der Startnummer 60 schaffte „Goidi“ einen mehr als respektablen 44. Rang bei einer Laufzeit von 1:08:42 Stunden, gerade einmal zehn Minuten hinter seinem Kumpel Markus Kröll, dem früheren Berglauf- Juniorenweltmeister und Zillertaler Urgestein, der nicht unmaßgeblichen Anteil am Erfolg des Harakiri-Berglauf hat.