Terminüberschneidungen bei den Berglauf-Topereignissen dieses Sommers schwächen die Startfelder in Zermatt und in Porto Moniz – DLV auf Medaillenkurs bei den U20-Girls auf Madeira – Eine Vorschau auf die Langdistanz-WM und die EM über die Standarddistanzen
Im internationalen Berglauf läuft manches quer. Kuriose Terminüberschneidung mit der Berglauf-Langdistanz-WM im Rahmen des Zermatt-Marathons und der EM auf den traditionellen (bergaufführenden) Distanzen in Porto Moniz auf der portugiesischen Blumeninsel Madeira sind keineswegs ein Ausdruck von Harmonie in der Leichtathletik- Randdisziplin Berglauf. Weder der Berglauf-Weltverband WMRA noch dem europäischen Leichtathletik-Verband (EAA) gelang es, die Terminkonzentration auf den 4. Juli zu entzerren. Beide Verbände beharrten aus unterschiedlichen Gründen auf „ihrem“ Termin, eine Entzerrung somit ausgeschlossen. Damit finden 2015 die beiden hochrangigen Berglauf-Ereignisse am gleichen Tag statt, lediglich einige Tausend Kilometer Luftlinie voneinander getrennt.
Vor allem Andrea Mayr, die weltbeste Bergläuferin auf der Normal- wie auch auf der Marathondistanz, ist hin und her gerissen. „Ich kann beides – und wäre gerne auch beides gelaufen. Für mich ist es unverständlich, dass man hier keine Entzerrung erreichen konnte!“ Derzeit gewinnt die 35jährige Ärztin aus Gemunden alle Starts nach Belieben, auf den gewöhnlich acht bis zehn Kilometer langen Strecken dominiert sie ihre Konkurrentinnen um mindestens zwei bis drei Minuten. Im Verbund mit Sabine Reiner, der EM-Dritten des vergangenen Jahres, gilt Österreich zudem auch in der Mannschaftswertung als Medaillenanwärter. Titelverteidiger (auf allerdings einer bergauf-bergabführenden Strecke) ist Italien, die Silbermedaille gewann im Vorjahr Groß-Britannien vor Österreich. Für die deutschen Starterinnen Tina Fischl, Nicole Kruhme, Melanie Noll und Monique Siegel hängen die Trauben recht hoch in der Teamwertung mit insgesamt 12 Nationen, jedoch sollte eine konstante Leistung mindestens zu einer Platzierung zwischen Rang sechs und acht herausspringen.
Für die Einzelwertung stellt sich im Normalfall die Frage nach der Siegerin nicht, denn wer sollte Andrea Mayr auf der 7,9 km langen Strecke mit 850 Höhenmetern schlagen? Der Kreis der weiteren Medaillenkandidaten besteht aus Sabine Reiner, der Französin Christel Devalle, der Britin Emma Clayton, den Italienerinnen Antonella Confortola und Alice Gaggi und der aktuellen Weltcup-Ersten Lucija Krkoc aus Slowenien.
Auch Stefan Hubert, der unbestritten aktuell beste deutsche Bergläufer, hat sich erst spät für die Europameisterschaften entschieden, obgleich er im Vorjahr bei der Langdistanz-WM unter ungleich schwierigen Bedingungen am Pikes Peak im US-Staat Colorado als Elfter ein vorzügliches Resultat abliefern konnte. Entscheidungshilfe jedenfalls haben die Erfolge in diesem Frühjahr gebracht, schließlich gewann der 29jährige Sportwissenschaftler des SV Sömmerda gut besetzte Rennen mit Streckenlängen von acht bis dreizehn Kilometer in Feldkirch, Grabs, Rauris und Seefeld. Ausgerechnet bei den deutschen Meisterschaften in Bühlertal hatte Stefan Hubert nicht seinen besten Tag erwischt, denn im Kampf um den Titel musste er sich diesmal hinter Josef Katib mit Rang zwei zufrieden geben. Und noch ein Vorteil sprach letztlich für die EM-Wahl: Im Februar konnte er sich in einer DLV-Maßnahme auf Madeira von der Topografie der EM-Strecken ein Bild machen.
Mit der Chance auf eine Top 12-Platzierung führt Stefan Hubert das deutsche Team auf die 11,85 km und 1250 Höhenmeter lange Strecke an. Das vierköpfige Männerteam komplettieren Benedikt Hoffmann, Joseph Katib und Jonas Lehmann. Bei der (letztmals beraufführenden) EM in Borovets 2013 wurde Deutschland Fünfter. Titelverteidiger ist Groß-Britannien, Favorit allerdings Italien mit dem zweifachen Europameister Bernard Dematteis und dem EM-Zweiten Alex Baldaccini. Mit dabei ist auch der sechsmalige Europameister Ahmet Arslan, dessen Leistungszenit allerdings überschritten scheint. Dennoch ist die Türkei auch für eine Mannschaftsmedaille gut, wie auch Frankreich, Spanien oder Gastgeber Portugal. Eine Platzierung für das DLV-Team, bei dem der talentierte Maximilian Zeus aus Weiden nicht berücksichtigt wurde, unter den ersten sechs wäre zweifellos ein Erfolg.
Während man beim DLV im Wettbewerb der U20-Junioren auf einen Starter verzeichnete, ist bei den U20- Juniorinnen sogar ein Quartett nominiert, das im Norden Madeiras auf Medaillenjagd gehen wird. Die erklärte Favoritin im Kampf um Gold ist die Vizeweltmeisterin von Casette di Massa, Sarah Kistner. Die 18jährige des MTV Kronberg ist neben dem Ausnahmetalent Alina Reh die derzeit beste deutsche Läuferin der Jugendklasse, schließlich gewann sie neben dem erwarteten Berglauftitel in Bühlertal auch den über 5000 m in Ohrdruf in Thüringen und hat bereits die Qualifikation für die (Bahn)-EM in Schweden in der Tasche. Allerdings steht ein interessanter Kampf bevor, denn neben Sarah sind mit Michaela Stránská (Tschechien), Catriona Graves (Großbritannien) und Nada Balcarczyk gleich drei weitere Top-Acht-Platzierte der letztjährigen WM am Start. Das DLV-Team komplettieren Annika Seefeld und Nadia Dietz für die Mannschaftswertung, bei der man nicht zuletzt nach dem WM-Titel im vergangenen Jahr vor Großbritannien, Tschechien, Frankreich und Russland favorisiert ist.
Anders hingegen ist die Situation in Zermatt, wo der DLV mit einem Team antritt, das sicherlich nicht den Erfolg des Vorjahres, als Stefan Hubert, Marco Sturm und Christian Seiler die Bronzemedaille gewinnen konnten, wiederholen dürfte. Dazu fehlt mit Ausnahme von Uli Steidl die läuferische Klasse für die 42 km mit einer Höhendifferenz von +1944 m/ -444 m. Steidl, in den USA ein längst erfolgreicher Mastersläufer, gewann übrigens vor 24 Jahren (!) in Zermatt die U20-Weltmeisterschaft in Berglauf. Das weitere deutsche Aufgebot für die WM-Langdistanz besteht aus Thomas Kühlmann, Mirco Berner, Florian Reichert und Moritz auf der Heide. In der Mannschaftswertung ist das US-Team Titelverteidiger, allerdings sind die Chancen angesichts der starken Präsenz aus Kenia mit dem in den letzten beiden Jahren in Zermatt siegreichen Paul Maticha Michieka eher gering. Eine gute Leistung wird vor allem von Gastgeber Schweiz, Südafrika und Slowenien erwartet.
Wer soll die US-Frauen mit den Weltmeisterinnen Brandy Erholtz und Stevie Kremer sowie Megan Kimmel schlagen? Vielleicht gelingt der Schweiz mit der mehrfachen Europameisterin Martina Strähl und der fünffachen Swissalpine-Siegerin Jasmin Nunige ein besonderer Coup?