Nur 89 Finisher an der Rietburg – Tim Könnel verpasst nach vorsichtiger erster Hälfte den 14 Jahre alten Streckenrekord von Matthias Hecktor nur knapp – Simone Raatz läuft der Konkurrenz um vier Minuten davon – Beide Rietburg-Sieger sind somit erste Favoriten auf den Gesamtsieg beim Pfälzer Berglauf-Pokal 2022
Was ist los in der deutschen Laufszene? Die gerade als Zwischenstand für die noch laufende Saison 2023 von Roland Döhrn für German Road Races (GRR) erstellte Statistik weist aktuell bundesweit ein Minus von 40 Prozent bei den Finisherzahlen gegenüber 2019 aus. Das gilt im Durchschnitt sowohl für große, mittlere und auch kleine Laufveranstaltungen. Und mindestens in dieser Größenordnung (wenn nicht gar noch mehr) bewegt sich leider auch der Einbruch mit nur 89 Finishern beim 26. Rietburg-Berglauf. 2019 erreichten noch 176 LäuferInnen das Ziel unterhalb der Burgruine, deren Name auf die Herren von Riet zurückzuführen ist. Dies freilich weitab von den 2016 erreichten 221 Finishern. Die Folgen der Corona-Pandemie hin oder her, die Gründe der massiven Teilnehmerverluste allseits sind weitaus vielschichtiger, doch keineswegs vordergründig Thema dieser Reportage.
Betrachten wir die Qualität der erzielten Laufergebnisse. Für das Topresultat auf der 8,2 km langen Strecke mit kumulierten 420 Höhenmetern sorgte natürlich mit Tim Könnel der aktuelle Leader der Pfälzer Berglaufszene. Der 28jährige Mediziner einer Ludwigshafener Klinik stürmte nach eher verhaltenem Auftakt („Ich habe es eher locker angehen lassen und bin die ersten vier Kilometer mit Lennart zusammengelaufen“) mit hohem Tempo den trotz starker Regenfälle annehmbaren Bodenverhältnissen im Schlussanstieg. Mit 31:16 Minuten lief der für TuS 06 Heltersberg startende Allroundläufer nicht nur seine schnellste Laufzeit, denn bei seinem Sieg 2019 (übrigens der letzten Austragung vor der Corona-Auszeit) wurden 31:23 gestoppt. „Der Streckenrekord wäre heute machbar gewesen, doch ich wollte einige Reserven für den kommenden Sonntag in Saarbrücken aufheben!“ Und diesen Rekord hält seit 2008 sein Heltersberger Vereinskollege Matthias Hecktor mit 31:07 Minuten. So sein Kommentar direkt im Ziel und machte sich zügig auf den Weg zum Nachtdienst nach Ludwigshafen.
Lange Zeit blieb ihm Lennart Nies auf den Fersen, auch wenn der 34jährige im Trikot des TV Maikammer derzeit in der letzten Vorbereitungsphase für den BMW Berlin Marathon ist und andere Ziele vor Augen hat. Mit genau einer Minute Rückstand wurde er unangefochten Zweiter und musste gut zweieinhalb Minuten warten, bis sein Teamkollege Marcel Job als Dritter im zeitweise dichten Nebel auftauchte, der mit 34:46 Minuten zudem die M40 gewinnen konnte. Hinter Gunnar Baar (36:40) kam mit Tom Heuer schon der M50-Sieger ins Ziel, für den 36:54 gestoppt wurden.
Überhaupt war der TV Maikammer bei der 26. Auflage des Rietburg-Berglaufes bestens präsent. Gleich vier Läuferinnen platzierten sich in den Top 5 der Frauen mit Regina Rieger (42:36) als Siegerin der W35, Yvonne Manz (44:01) als Zweite der W45, Laura Pauli (45:01) als Siegerin der W30 und der mit 14 Jahren jüngsten Starterin Laya Manz (49:15) und Siegerin der U16-Kategorie.
An der Spitze jedoch war Simone Raatz einmal mehr in der Pfalz unangefochten. Nach ihrem furiosen Februar-Auftakt von Steinbach zum Donnersberg nahe des Streckenkords ließ es die 46jährige diesmal etwas lockerer angehen und gewann dennoch mit starken 38:16 Minuten mit mehr als vier Minuten Vorsprung. „Ich habe mich heute nicht sonderlich gut gefühlt und bin natürlich schon auf die 10 km-Meisterschaften am kommenden Sonntag fixiert. Aber es war ok…“, so die Darmstädterin, die sich wie Tim Könnel anschickt, den Berglauf-Seriensieg 2022 erneut zu gewinnen. Mit 36:06 Minuten hält auf dieser Strecke von der nunmehr blauen Kunststoffbahn des Stadions über das Schloss Villa Ludwigshöhe und der Talstation der Rietbergbahn zum Befestigungswall unterhalb der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Rietburg die frühere Nationalmannschaftsläuferin Melanie Noll seit 2015 die Bestmarke. Die nächstbeste Zeit lief bei ihrem Sieg 2017 schon Simone Raatz mit 37:20 Minuten.
Das Weinstraßenstadion Edenkoben war anstelle des Kurpfalzsaals diesmal auch Anlaufstation für die Siegerehrung, die kurz und bündig und zudem in der frischen Luft „Corona konform“ durchgeführt wurde. Und viele bekannte Gesichter der Pfälzer Szene (und der Anrainer) vereinigte. Mittags hatte man noch auf die inzwischen auch international erfolgreiche 1500 m-Läuferin Hanna Klein, die ihre leichtathletischen Anfänge beim LC Oberhaardt Edenkoben absolvierte, für den Startschuss gewartet, den Organisator Heinz Vogelgesang dann ersatzweise vornahm. Bei selbstgebackenem Kuchen, belegten Brötchen mit Käse oder Saumagen und den entsprechenden Warm- und Kaltgetränken klang der 26. Rietburg-Berglauf harmonisch aus.