Terminüberschneidungen bei den Berglauf-Topereignissen dieses Sommers schwächen die Startfelder in Zermatt und in Porto Moniz – DLV auf Medaillenkurs bei den U20-Girls auf Madeira
Im internationalen Berglauf läuft manches quer. Kuriose Terminüberschneidung mit der Berglauf-Langdistanz-WM im Rahmen des Zermatt-Marathons und der EM auf den traditionellen (bergaufführenden) Distanzen in Porto Moniz auf der portugiesischen Blumeninsel Madeira sind keineswegs ein Ausdruck von Harmonie in der Leichtathletik- Randdisziplin Berglauf. Weder der Berglauf-Weltverband WMRA noch dem europäischen Leichtathletik-Verband (EAA) gelang es, die Terminkonzentration auf den 4. Juli zu entzerren. Beide Verbände beharrten aus unterschiedlichen Gründen auf „ihrem“ Termin, eine Entzerrung somit ausgeschlossen. Damit finden 2015 die beiden hochrangigen Berglauf-Ereignisse am gleichen Tag statt, lediglich einige Tausend Kilometer Luftlinie voneinander getrennt.
Nicht nur Andrea Mayr, die weltbeste Bergläuferin auf der Normal- wie auch auf der Marathondistanz, ist hin und her gerissen. „Ich kann beides – und wäre gerne auch beides gelaufen. Für mich ist es unverständlich, dass man hier keine Entzerrung erreichen konnte!“ Derzeit gewinnt die 35jährige Ärztin aus Gemunden alle Starts nach Belieben, auf den gewöhnlich acht bis zehn Kilometer langen Strecken dominiert sie ihre Konkurrentinnen um mindestens zwei bis drei Minuten. Auf der 2012er WM-Strecke beim Jungfrau-Marathon wusste sie im darauffolgenden Jahr mit einem neuen Streckenrekord zu überzeugen. Jedoch hat sie sich für die EM auf Madeira entschieden, ebenso ihre österreichische Teamkollegin Sabine Reiner, immerhin WM-Langdistanz-Zweite von 2012.
Auch Stefan Hubert, der unbestritten aktuell beste deutsche Bergläufer, hat sich erst spät für die Europameisterschaften entschieden, obgleich er im Vorjahr bei der Langdistanz-WM unter ungleich schwierigen Bedingungen am Pikes Peak im US-Staat Colorado als Elfter ein vorzügliches Resultat abliefern konnte. Entscheidungshilfe jedenfalls haben die Erfolge in diesem Frühjahr gebracht, schließlich gewann der 29jährige Sportwissenschaftler des SV Sömmerda gut besetzte Rennen mit Streckenlängen von acht bis dreizehn Kilometer in Feldkirch, Grabs, Rauris und Seefeld. Ausgerechnet bei den deutschen Meisterschaften in Bühlertal hatte Stefan Hubert nicht seinen besten Tag erwischt, denn im Kampf um den Titel musste er sich diesmal hinter Josef Katib mit Rang zwei zufrieden geben. Und noch ein Vorteil sprach letztlich für die EM-Wahl: Im Februar konnte er sich in einer DLV-Maßnahme auf Madeira von der Topografie der EM-Strecken ein Bild machen.
Mit der Chance auf eine Top 12-Platzierung führt Stefan Hubert das deutsche Team für die Europameisterschaften an. Das vierköpfige Männerteam komplettieren Benedikt Hoffmann (TSG heilbronn), Joseph Katib (TSV Roth) und Jonas Lehmann (TuS Heltersberg). Unberücksichtigt dabei der talentierte Maximilian Zeus (DJK Weiden), der im vergangenen Jahr WM-Zwölfter der U20-Kategorie wurde. Offenbar fehlte offenbar den DLV-Funktionären etwas Mut, einem jungen Athleten eine erste Bewährungsgelegenheit in der Aktivenklasse zu geben.
Bei den deutschen Frauen fehlt die letztjährige deutsche Meisterin Julia Viellehner, die wegen einer Fußverletzung im Frühjahr keine läuferischen Akzente setzen konnte und sich derweil auf ihren Ironman-Start in Roth konzentriert. Gespannt darf man unter den DLV-Starterinnen vor allem auf den Auftritt der Überraschungsmeisterin Tina Fischl (LG Passau) sein, die allerdings gerade erst einen 35 km langen Trailevent an der Zugspitze gewonnen hat und bislang vornehmlich Langdistanz-Qualitäten verrät. Nicole Kruhme (GutsMuths Rennsteiglaufverein), Melanie Noll (TSV Annweiler) und Monique Siegel (SG Adelsberg) sind die weiteren deutschen Starterinnen.
Während der DLV bei den U20-Junioren nicht einmal den Meister Aron Bienenfeld nominiert hat, ist bei den U20- Junioren sogar ein Quartett nominiert, das im Norden Madeiras auf Medaillenjagd gehen wird. Die erklärte Favoritin im Kampf um Gold ist die Vizeweltmeisterin von Casette di Massa, Sarah Kistner. Die 18jährige des MTV Kronberg ist neben dem Ausnahmetalent Alina Reh die derzeit beste deutsche Läuferin der Jugendklasse, schließlich gewann sie neben dem erwarteten Berglauftitel in Bühlertal auch den über 5000 m in Ohrdruf in Thüringen und hat bereits die Qualifikation für die (Bahn)-EM in Schweden in der Tasche. Im Verbund mit Nada Balcarczyk (LG Würm Athletik), Annika Seefeld (LG Staufen) und der überraschend nominierten Nadia Dietz (LC Breisgau) sind die DLV-Girls in der Mannschaftswertung favorisiert, zumal man im Vorjahr bereits den WM-Titel gewinnen konnte.
Anders hingegen ist die Situation in Zermatt, wo der DLV mit einem Team antritt, das sicherlich nicht den Erfolg des Vorjahres, als Stefan Hubert, Marco Sturm und Christian Seiler die Bronzemedaille gewinnen konnten, wiederholen dürfte. Dazu fehlt mit Ausnahme von Uli Steidl die läuferische Klasse für die 42 km mit einer Höhendifferenz von +1944 m/ -444 m. Steidl, in den USA ein längst erfolgreicher Mastersläufer, gewann übrigens vor 24 Jahren (!) in Zermatt die U20-Weltmeisterschaft in Berglauf. Das weitere deutsche Aufgebot für die WM-Langdistanz besteht aus Thomas Kühlmann, Mirco Berner, Florian Reichert und Moritz auf der Heide.