Einmal mehr: Kenianische Läufer bestimmen die Schlagzahl


Neben dem Grossglockner-Sieger Richard Omaya Atuya triumphiert auch dessen Landsfrau Ann Nyaguthie Ndichu am Kitzbüheler Horn – Mit Manuel Innerhofer bot Österreichs Bester ein fast perfektes Rennen auf Rang zwei. Die Highlights beim 46. Kitzbüheler Horn Bergstraßenlauf, der trotz erheblicher Investitionen als Traditionslauf heute ein Schattendasein in der Berg- und Trailszene fristet

Tradition ist das eine, die Zeichen der Zeit ein anderes. Und mit 46 Austragungen ist der Kitzbüheler Horn Bergstraßenlauf gewiss über viele Jahre hinweg Trendsetter für viele Bergläufe in Österreich und gewiss auch darüber hinaus gewesen. Die „Ehrentafel“ der Gewinner am Kitzbüheler Horn ist für Jahrzehnte hinweg das „Who is Who“ der internationalen Berglaufszene gewesen.

Mit Peter Reiher, Stefan Soler, Pablo Vigil, Helmut Stuhlpfarrer, Zdenek Mezulianik, Helmut Schmuck und Antonio Molinari war das Podium in den achtziger und neunziger Jahren bei den Männern besetzt, ehe 2000 mit dem Jonathan Wyatt eine neue Ära anbrach, der den Streckenrekord auf die bis heute noch gültige Marke von 55:58 Minuten steigerte. An dieser Marke haben sich bis heute Generationen von Kenianern, beginnend 2009 mit Geoffrey Ndungu, im sprichwörtlichen Sinne die Zähne ausgebissen. Jonathan Wyatt war mit fünf Siegen vor Geoffrey Ndungu mit drei Siegen der erfolgreichste Horn-Sieger. Inzwischen wechseln die (fast ausschließlich kenianischen) Sieger im Jahresrhythmus. Bis auf 2021 mit Manuel Innerhofer ein Österreicher die Nase vorne hatte, was zuletzt 1997 Helmut Schmuck gelang, der inzwischen die Geschicke der ÖLV-Nationalmannschaft lenkt.

Und bei den Frauen? Mit Andrea Mayr ist eine Österreicherin nicht nur Weltmeisterin, sondern auch vierfache Siegerin am Kitzbüheler Horn und Streckenrekordlerin seit 2017 mit 1:07:00 Stunden. Aber andere Einheimische wie Karin Freitag waren schon zweimal erfolgreich. Es gibt allerdings auch eine deutsche Erfolgsgeschichte, für die in jüngerer Zeit Birgit Unterberger (2007) und Johanna Baumgartner (1997) verantwortlich zeichneten. Aber wenn nicht Andrea Mayr in Kitzbühel antritt, dann marschieren auch hier kenianische Asse voraus wie die ebenfalls zu Weltmeisterehren gekommenen Lucy Murigi Wambui oder Joyce Muthoni Njeru.

Am 1670 m hoch gelegenen Alpenhaus, nicht nur markantes Restaurant als Zwischenstation vor dem finalen Kraftakt hinauf zum 1996 m hohen Ziel am Fernsehturm am Horngipfel, prangt auch die Wall of Fame und gibt Zeugnis über die sportlichen Höhepunkte am Kitzbüheler Horn, der medienmäßig in den Wintermonaten freilich hinter der legendären Streif am Hahnenkamm zurückstecken muss. Berglauf, Radrennen und Skiroller – drei Ausdauersportarten mit einer großartigen Tradition auf der durchweg asphaltierten (Wettkampf-)Strecke von Kitzbühel bzw. von der Mautstation bis zum Alpenhaus bzw. zum Fernsehturm am Horngipfel.

Allerdings hinken die Vergleiche, denn die Rekordmarke von Jonathan Wyatt von 55:58 Minuten wurde auf einer 12,9 km langen Strecke mit 1234 m Höhendifferenz erzielt, während die Athleten mit dem Rennrad oder dem Skiroller lediglich von einer fest installierten Zeitmess-Station nahe der Mautstation der Panoramastraße über 7,5 km und einer Höhendifferenz von 920 m zum Alpenhaus ihre Challenge haben. Entsprechend auch die Streckenrekorde des Radrennfahrers Victor de la Parte Gonzáles (2015/ 28:21) und von Bernhard Flaschberger, der mit Skirollern 2021 schon 36:30 Minuten benötigte. Sie haben jedoch alle eines gemeinsam, eine herrliche Rennstrecke inmitten einer herrlichen alpinen Kulisse mit allerdings Steigerungen von 12 bis 23 Prozent.

Für den Laufsport am Kitzbüheler Horn ist der Berglauf-Pionier Franz Puckl verantwortlich, der inzwischen 89 Jahre alt ist und für alle 46 Austragungen des Bergstraßenlaufes verantwortlich zeichnet. Ein Veranstalter der alten Schule, der gewiss über die Jahre hinweg von den attraktiven Startfeldern mit 400 und 500 Bergläufern Abschied nehmen musste und derzeit mit rund 120 an „seinem“ Berglauf interessierten Läufern leben muss. Und stemmt sich Jahr für Jahr mit attraktiven Prämien gegen die Konkurrenz der aktuell ungleich attraktiver aufgezogenen Trail-Veranstaltungen.

Selbst die Untertitel „Masters Run“, „Berglauf-Grand-Prix von Österreich“ und „FPs Super Cup“ bringen kaum neue Bergläufer an den Start am Hauptplatz inmitten der Fußgängerzone, die zur Morgenstunde kaum Spuren der am Wochenende stattfindenden Sause der KITZ Kulinarik zeigte. Dass der Hornlauf seit erheblichen Querelen mit dem Österreichischen Leichtathletik-Verband nicht mehr Wertungslauf im IÖBLC-Berglauf-Cup ist, den Franz Puckl im Ursprung initiiert hatte, ist eher zu einer geräuschlosen Nebensache geworden.

„Ich bin natürlich zufrieden, wenn es die Läufer sind“, zog Franz Puckl in seiner ihm eigenen Art ein erstes Fazit nach Zielschluss im Alpenhaus. „Wir haben doch herrliches Laufwetter und die Kulisse stimmt einfach am Horn!“ Alle Bedenken über hochsommerliche Temperaturen waren umsonst, denn mit 18° zur Startzeit und leichter Bewölkung durfte letztlich niemand ernsthaft klagen, zumal man beim LSV 1990 Kitzbühel auch drei Wasserstellen auf der überaus anspruchsvollen Strecke eingerichtet hatte.

Einmal mehr bestimmten die Renntrikots des in Österreich angesiedelten, vornehmlich mit Kenianern besetzten Run2gether-Laufteams das Geschehen. Mit Richard Omaya Atuya hatte Run2gether den Shootingstar der Saison 2024 mitgebracht, der schon vor wenigen Wochen beim Grossglockner Mountain Run das Renngeschehen ebenso eindrucksvoll bestimmte wie auch das Weltcup-Rennen La Montee du Nid d’Aigle in Saint Gervais (Frankreich). Und natürlich auch am Kitzbüheler Horn der überragende Starter war. Für den 28jährigen Kenianer war sein Erststart in Kitzbühel eine einsame Angelegenheit, schließlich lag er mit starken 58:19 Minuten gleich fast drei Minuten vor der gewiss nicht schwachen Konkurrenz und schaffte die schnellste Siegerzeit seit 2005 (!), als Jonathan Wyatt in 58:17 gewann.

Mit einem taktisch geschickten Lauf schaffte Manuel Innerhofer hinter Richard Omaya Atuya Rang zwei in 1:01:03 Stunden, nachdem er Elija Kamau Kariuki im Schlußteil doch mehr als eine Minute „abnehmen konnte“. „Ich wußte, dass Richard sehr stark ist und habe ihn einfach ziehen lassen“, gestand der seit einigen Jahren beste Österreicher im Berg- und Traillaufen, der angesichts seiner beruflichen Tätigkeit der Seilbahntechniker mit einem geregelten 40 Stunden-Job eher als „Feierabendsportler“ zu bezeichnen wäre. Im Verbund mit seinem Bruder Hans-Peter, der allerdings am Wochenende beim UTMB in Chamonix am Start war (und leider wie auch Benedikt Hoffmann vorzeitig das Rennen beenden musste), ist er nicht zuletzt aber durch seine professionelle Einstellung eine feste Größe auch im internationalen Circuit. „Ich wäre sehr gerne unter einer Stunde geblieben, doch im finalen Anstieg hatte ich plötzlich Seitenstiche und musste kurz stehenbleiben!“

Eine starke Leistung schaffte der für Union Raika Lienz startende Matthias Klocker mit 1:05:25 Stunden, das ihn hinter Epnantus Mwangi Njeri (1:04:23) auf Rang fünf brachte. Dichtauf Wendelin Mörtendorfer, der sowohl auf der Straße (1:10:19 beim Halbmarathin in Berlin) als auch im Gelände (Sieger beim Mountainman Grossarltal) zu überzeugen weiß.

Platz sieben sicherte sich der aus dem Südtiroler Gröden kommende Samuel Demetz, der mit 21 Jahren der jüngste Starter unter den Top 10 war. Damit war Samuel zwar der Schnellste der Demetz-Familie, doch etwas erfolgreicher war Samuels Schwester Sofia als Siegerin der W20-Wertung in 1:40:41. Vater Georg schaffte als M50-Zweiter (1:23:37) ebenfalls den Sprung auf das Siegerpodest.

Nicht zu bremsen war bei den Frauen Ann Nyaguthie Ndichu bei ihrer Horn-Premiere, die mutig die 12,9 km-Distanz anging und im Nu einen erheblichen Vorsprung herausgelaufen hatte. Die 23jährige trat nach überaus bemerkenswerten 1:11:32 Stunden übrigens in die Fußstapfen ihrer Run2gether-Teamkollegin Purity Gitonga, die 2019 am Kitzbüheler Horn triumphierte, aber zur gleichen Zeit den Alsterlauf in Hamburg in starken 31:50 gewinnen konnte. Um die weiteren Plätze sollte es überaus spannend werden, denn die äthiopische Vorjahressiegerin Sintayehu Kibebo und die überraschend mutig agierende Deutsche Astrid Steger liefen einträchtig als erste Verfolger vor Simone Raatz, der nach gesundheitlichen Problemen im Frühjahr nun in Kitzbühl einen gelungenen Wiedereinstieg in das Wettkampfgeschehen gelingen sollte. Noch merklich zurück Karin Freitag, die letztlich in einer tollen Aufholjagd bis auf Rang zwei vorlaufen sollte.

„Mit Rang zwei bin ich natürlich sehr zufrieden, denn am Ende lief es immer besser. Natürlich war ich vier Minuten langsamer als im Vorjahr, aber ich finde, dass man dieses nicht auf die Goldwaage legen sollte!“ So die 44jährige Karin Freitag, die vor drei Wochen übrigens Staatsmeisterin im 24-Stunden-Lauf mit 213,41 km wurde. Mit 1:19:34 konnte sie im Schlußteil auch Sintayehu Kibebo noch überholen, die mit 1:20:42 sogar noch fast von Simone Raatz (1:21:30) eingeholt wurde.

Und Astrid Steger, die im Ursprung aus Dingolfing stammt, aber inzwischen in Innsbruck Ökologie und Sportwissenschaften studiert, rundete als Fünfte mit 1:23:03 Stunden das flotte Frauenfeld ab. Wohin für Astrid „die Reise“ allerdings gehen wird, das ließ die 29jährige offen, schließlich war sie auch schon als Dritte beim 57 km-Trail am Großglockner erfolgreich unterwegs.

Ein besonderes Augenmerk richtet OK-Präsident Franz Puckl aus naheliegenden Gründen auf das ältere Masters-Klientel. Kein Wunder also, wenn es für die passierten Läufer jenseits der 75 ein besonderes Laufangebot vom Alpenhaus zur Hornspitze gibt. Gleiches gilt aber auch für den jungen Laufnachwuchs bis 16 Jahre. Während der jüngste Hornläufer gerade einmal acht Jahre alt war, gehörte der ungeteilte Beifall dem 90jährigen Heribert Bachmann, dem 89jährigen Franz Puckl (der seinen Part ebenfalls zum Horn bewältigte) und der 82jährigen Rosa Maria Grässle wie auch den 80jährigen Irina Spira und Franz Kromka.

Beim Plausch auf der Sonnenterrasse des Alpenhauses erfährt man gewiss so manches. So über die Fahrgemeinschaft von Franz und Sebastian, die an der Peripherie Münchens für das Berglaufen am Wochenende leben – und sich bereits für den deutschen Klassiker am Hochfelln Ende September vereinbart haben. Nicht nur, weil dieser schlichtweg als „Lieblings-Berglauf“ gilt, sondern eher auch ein „Muss“. Man(n) sieht sich also….