Ephantus Mwangi Njeri ist der neue „King of Grossglockner“, der entthronte Richard Omaya Atuya nur „King of Heiligenblut“ – Auch ohne WMRA Grand-Prix-Label ist der Mountain Run am höchsten Berg Österreichs eine außergewöhnliche Attraktion

„Der König ist tot, es lebe der König“ ist im Ursprung eine französische Formulierung, die den Tod des alten Königs bekannt gab und um gleichzeitig den neuen König auszurufen. In Heiligenblut hat man gewiss nichts mit der Monarchie am Hut, bedient sich aber sehr gerne beim außergewöhnlichen Grossglockner Mountain Run diesem monarchischen Titel für den Besten. Wie in einem Königreich wird auch in Heiligenblut umgehend ein neuer König ausgerufen, um die Kontinuität zu demonstrieren. Und diese liegt eindeutig in den Händen pardon Füßen von kenianischen Läufern. Am Samstagabend ließ sich der „alte“ König Richard Omaya Atuya noch in einem spannenden Wettbewerb als „King of Heiligenblut“ mit stattlichem Honorar feiern, am Folgetag jubelte hingegen mit Ephantus Mwangi Njeri dessen Landsmann mit nicht minder ordentlichem Salär als neuer „King of Grossglockner“. Das war gewiss nur eine pointierte Umschreibung über die bisherigen und neuen Kräfteverhältnisse bei der vierten Auflage des neuen Grossglockner-Berglaufes, der wie sein Vorgänger mit 13,3 km und 1300 Höhenmetern von Heiligenblut zum Plateau der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe mit Blick auf Österreichs mit 3798 m höchsten Berg führte. Und verriet keineswegs eine Qualitätseinbuße nach dem im Vorjahr versehenen WMRA Grand-Prix-Label, denn einmal mehr tummelten sich zahlreiche Weltklasseatheten auf dem Parcours im Naturschutzgebiet Hohe Tauern. Im Wind- und Wetter geschützten Parkhaus der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe jedenfalls feierten König Ephantus und „Nebenkönig“ Richard gemeinsam ihren Triumph.
Die höchst selektive Strecke beginnt zaghaft über Forstwege über den Leiterwasserfall und dem Margaritzenspeicher zur Pasterze, dem längsten Gletscher der Ostalpen – bis zu den final als höchst herausfordernd zu bezeichnenden 522 Stufen zum Ziel. Da verlor selbst die kenianische Siegerin Ann Nyaguthie Ndichu etwas die Contenance, als sie panikartig an einem (wohl weislich gut abtrassierten) Abzweig etwas die Orientierung verlor – aber den Sieg bei ihrem Premieren-Berglauf unter Dach und Fach brachte.
Bleiben wir zunächst beim „alten“ König Richard Omaya Atuya. Spitzbübig setzte sich bei strömendem Regen der Kenianer im Dress von run2gether im Finale gegen seine Landsleute Kevin Kibet und Ephantus Mwangi Njeri sowie Shadrack Kipkorir Kenduiywo durch und verteidigte seinen Vorjahressieg als „King of Heiligenblut“. Dieses Quartett bestritt das Finale eines „Fun-Wettbewerbs“, der in einem neuen Format erstmals durchgeführt wurde. Geblieben war dabei die Dorfrunde von 1,5 km, ebenso das Eliminieren der letztplatzierten Eliteläufer. Der letzte hellhäutige Konkurrent, der aus dem Pinzgau stammende vielfache österreichische Staatsmeister Manuel Innerhofer, verpasste im Halbfinale nach höchst engagiertem Lauf den Finaleinzug knapp, bekannte aber freimütig: „Auf dem finalen Bergabstück habe ich den Gang herausgenommen, das war es mir wegen des Berglaufes am Sonntag doch nicht wert!“
Es gab allerdings auch eine deutsche „Queen“ bei den vorangestellten Schüler- und Kids-Wettbewerben, die stimmungsvoll über eine bis vier Runden gingen. Emmie lief die 1140 m lange Drei-Runden-Strecke in 4:32,9 Minuten und war damit schnellstes Mädchen der bis Elfjährigen, lediglich Sandro war als Jungensieger mit 4:16,7 schneller.
Und kommen nun zum neuen „King of Grossglockner“ Ephantus Mwangi Njeri, der mit einem stattlichen Vorsprung von fast dreieinhalb Minuten in die finalen Stufenpassage hoch stürmte. Trotz seiner Siegerzeit von 1:11:04 war er bei deutlich besseren Laufbedingungen exakt eine Minute langsamer als im Vorjahr Richard Omaya Atuya. Allerdings ist der 24jährige Njeri kein Unbekannter in der internationalen Berglaufszene, im Vorjahr wurde er bei Thyon-Dixence Dritter und beim traditionsreichen Kitzbüheler Horn-Berglauf Vierter, am Grossglockner hatte er übrigens schon 2023 als Vierter am Podest geschnuppert. Hinter Njeri und Atuya folgten mit Elija Kamau Kariuki und James Thuo Irungu weitere Athleten des österreichischen Laufprojekts run2gether, die in Kals am Grossglockner übrigens ihr Sommerdomizil aufgeschlagen haben.
Nur Insidern bekannt dürfte mit Josef Bodner der erste Europäer im Ziel sein, denn der passionierte Radfahrer und Skitourengeher wohnt im Bergsteigerdorf Kartitsch im Osttirolschen und ist nicht vereinsgebunden. „Mir ist es von Anfang an leicht aufgegangen. Für mich ist dies natürlich ein tolles Ergebnis, zumal ich aus der Region stamme“, so Josef Bodner, der übrigens im Frühjahr beim Hochstaufentrail über 19 km und 1350 Höhenmeter als Sieger (übrigens wie auch die Deutsche Sarah Kistner) aufgefallen war. „Das ist schon Wahnsinn, was ihm da gelungen ist“, staunte Skibergsteiger Christof Hochenwarter, der als Elfter die Top 10 knapp verpasste. Dazwischen platzierte sich Hans-Peter Innerhofer, ein international startender ausgewiesener Berg- und Trailspezialist, auf Platz acht. „Rang acht ist für mich eine Topplatzierung eine Woche nach dem Marathon du Mont Blanc. Ich habe dabei mit dem Masters-Weltmeister noch einen harten Spurt um Platz fünfzehn durchgestanden“, freute sich der Pinzgauer, der damit seinen nach einer Erkrankung noch nicht wieder im Vollbesitz seiner Kräfte laufenden Bruder Manuel würdig vertreten konnte.
Als Sechster finishte übrigens Filimon Abraham, der nach mehrmonatiger Verletzungspause sein erstes Rennen nach dem Berliner Halbmarathon (1:02:31) absolvierte. „Bergauf ging es sehr gut, mit dem Rennen bin ich sehr zufrieden. Ich bin heute mit Köpfchen gelaufen und die Kenianer nach einer halben Stunde ziehen lassen. Das Rennen gibt mir Mut für die nächsten Rennen“, zu denen auch der Berliner 10 km-Lauf auf dem Kudamm gehört. Die Berglauf-Weltmeisterschaften im spanischen Canfranc sind für den Berglauf-WM-Dritten von Innsbruck (2023) kein Thema: „Ich werde mich gezielt auf einen Herbst-Marathon vorbereiten, Berlin kommt da leider noch zu früh!“
Bei den Frauen debütierte die eigentliche Straßenläuferin Ann Nyaguthie Ndichu am Berg, ausgerechnet allerdings beim herausfordernden Grossglockler Mountain Run. Mit letzter Kraft und einigen Strauchlern erreichte sie dabei das Ziel auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Mit 1:25:30 Stunden lag sie allerdings schon in Schlagdistanz zur stark auftrumpfenden Anna Plattner aus Hall in Tirol. Die vom Radsport zum Berglaufen umgestiegene derzeitige Nummer zwei der Alpenrepublik folgte bereits nach 1:26:45. „Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet, denn ich bin ohne Erwartungen ins Rennen gegangen“, so Anna, die übrigens schon als Staatsmeisterin 2023 auf sich aufmerksam machen konnte – und als Nachfolgerin der vielfachen Berglauf-Welt- und Europameisterin Andrea Mayr, die mit nunmehr 46 Jahren auch heuer ÖLV-Meisterin im Berglauf wurde, gehandelt wird. Und zur selektiven Strecke am Fuß des Grossglockner: „Es ist eine mega schöne Strecke, die mir so viel Freude macht!“ Und eine, die Anna Plattner mit einer besonderen Strategie angegangen war: „Ich habe mich von Banane zu Banane ins Ziel gearbeitet, denn an jeder Labestation habe ich eine halbe Banane zu mir genommen!“ Es ist allerdings müßig zu hinterfragen, ob es ohne die Bananen-Strategie vielleicht zum Sieg gereicht hätte. Eines jedenfalls ist gewiss, die eigentlich stärker eingeschätzte Vize-Weltmeisterin von 2023, Philaries Jeruto Kisang hatte als Tagesdritte keine Chance gegen die Österreicherin, denn sechs Minuten sprechen eine deutliche Sprache.
Die Kenianerin musste zudem kämpfen, um ihren knappen Vorsprung gegen die gegen Ende immer stärker aufkommende Amelie Muss zu verteidigen. Im Ziel waren es gerade einmal 25 Sekunden. „Ja, es war sehr knapp, aber dennoch freue ich mich sehr über die Blechmedaille!“ verriet die mit 22 Jahren bereits erfahrene Berg- und Trailläuferin. „Mein Traum ist allerdings ein Start im Nationadress“, nahe dran an diesem Ziel ist die 22jährige aus Neukirchen an der Vöckla jedenfalls.
Noch ein Wort zum Wetter: Das angekündigte Gewitter hatte Verspätung, denn alle Läufer, die in der Sollzeit die finale Labestation erreichten, schafften trocknen Fußes das Ziel. Zur Sicherheit hatten die Organisatoren um Michi Kummerer, Geschäftsführer der veranstaltenden Agentur MJK Sportmarketing GmbH, nicht nur die Läufer in den einzelnen Blockstarts ab 8.50 Uhr bereits auf die Strecke geschickt, zudem lediglich 15 Starter zum Großglocknerhaus „umgeleitet“. Man ist am Fuß des Grossglockners jedenfalls mit Routine auf Unabwägbarkeiten eingestellt, schließlich organisiert die Agentur auch weitere Großveranstaltungen wie „Kärnten läuft“ oder den Graz-Marathon.
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