Nina Engelhard düpiert Kenia-Weltklasseläuferinnen am Grossglockner

Nach ihrem EM-Doppelsieg gewinnt die Kasseler Läuferin auch am Grossglockner in überlegener Manier und Lukas Ehrle stürmte als Fünfter zu seinen ersten Weltcup-Punkten

Nach dem kurzfristigen Veranstalterwechsel 2023 und dem Schulterschluss mit Tourismus, Politik, Wirtschaft, Gemeinde und der MJK Sportmarketing GmbH als Veranstalter ist der Grossglockner Mountain Run mit einem Paukenschlag zurück in die erste Reihe der internationalen Berglauf-Events zurückgekehrt. Mit einem Weltklassefeld an der Spitze und einer Vielzahl von ambitionierten Freizeitläufern in insgesamt vier Startgruppen passte nahezu alles für die neue Organisation am Fuß des höchsten österreichischen Gebirgsmassivs zwischen dem Start in Heiligenblut und dem Ziel an der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe auf 2369 Meter Höhe. Bis letztlich auf die widrigen Witterungsbedingungen mit starkem Regen am Start, dichten Nebelfeldern und sturmartigem Wind im finalen Anstieg vom Margaritzenspeicher, der Pasterze auf den 522 selektiven Treppenstufen hinauf zum Ziel. Ein mit Weltklasseläufern aus allen Kontinenten gespicktes Feld von knapp 1000 Teilnehmern war gewiss trotz „eingeschränktem Blick“ auf das Grossglocknermassiv eine echte Werbung für die Sommer- und Winter-Destination in Kärnten und für den Berglauf schlechthin. Tomo Sarf, der Präsident des Berglauf-Weltverbandes WMRA, und der mehrfache Großglocknersieger Jonathan Wyatt, der den Valsir Mountain Running World-Cup inzwischen koordiniert, zeigten sich unisono begeistert vom Auftritt des Grossglockner Mountain Run als einer der begehrtesten Events weltweit.

Auf der atemberaubenden Strecke von 13,3 km und 1309 Höhenmetern duellierten sich gleich ein Dutzend zur absoluten Weltklasse zählende Eliteläufer – und manche mussten sich mit einer eher unbefriedigenden Tagesleistung geschlagen geben. Dies mag sicherlich sowohl für den gerade erst in Annecy als Uphill-Europameister gefeierten Briten Joe Steward auf letztlich Rang 12 gelten wie auch für die frühere Weltmeisterin und Weltranglistenerste (2023 und aktuell auch 2024) Joyce Muthoni Njeru aus Kenia auf Rang fünf der Frauenwertung. Dafür rückten andere mit eindrucksvollen Leistungen in den Mittelpunkt des Interesses und durften sich zu Recht bei der wegen der widrigen Witterungsbedingungen auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe in einer Ebene des Parkhauses unmittelbar am Ziel eingerichteten Verpflegungs- und Party-Zone feiern lassen.

Dies gilt gewiss für den nach spannenden Duellen mit seinem Kollegen im kenianisch-österreichnischen Laufteam von run2gether in 1:10:04 Stunden siegreichen Richard Omaya Atuya, gefolgt von Josphat Kiprotich (1:10:25) und Michael Selelo Saoli (1:12:42), aber in erster Linie für die vor wenigen Wochen erst als Doppel-Europameisterin im französischen Annecy auftrumpfenden Nina Engelhard.

In einer erfrischenden, unbekümmerten Art stürmte die für den PSV Grün-Weiss Klassel startende 24jährige inmitten namhafter männlicher Läufer als Fünfundzwanzigste des Gesamteinlaufs bereits nach 1:22:09 Stunden ins Ziel – und bewegte sich damit in den Sphären keiner Geringeren als der Weltmeisterin Andrea Mayr, die den Allzeitrekord am Grossglockner seit 2013 mit 1:21:12 Stunden hält. Während das kenianische Männer-Trio international noch nicht in Erscheinung getreten war, wissen zumindest die stärksten Europäerinnen wie Maude Mathys, Judith Wyder oder Scout Adkin um die Leistungsstärke des deutschen Shootingstars aus dem Nordhessischen, die als Ökotoxikologin bei der hessischen Autobahn GmbH in einer 38-Stunden-Woche beschäftigt ist. Nun aber auch die in der Weltrangliste 2023 und bereits auch wieder in der frühen 2024er Saison führenden Kenianerinnen wie Philaris Jeruto Kisang oder Joyce Muthoni Njeru, die mit einem Rückstand von 1:36 bzw. 3:00 Minuten überraschend deutlich zurück als Zweite bzw. Fünfte ins Ziel kamen.

„Mit diesem Sieg habe ich überhaupt nicht gerechnet“, gestand Nina Engelhard in einer wärmenden Decke gehüllt im Zielraum, „denn das war heute schon etwas anderes als bei den Europameisterschaften. Vor allem, wenn man weiß, dass die ersten Fünf der Weltrangliste am Start sind!“ Allerdings spricht eine weitere Zahl wahre Bände, denn mit ihrer Siegerzeit von 1:22:09 Stunden war sie gleich zehn Minuten (!) schneller als im Vorjahr, als sie sich überraschend bei ihrem internationalen Einstand als Zweite (übrigens hinter Philaris Jeruto Kisang) schon auf dem Siegerpodest wiederfand.

Nina musste allerdings auch zugeben, dass das forsche Anfangstempo der Weltklasse sie schon beeindruckte. „Wenn du nach drei, vier Kilometern nur Sechste bist, dann musst du dieses erst einmal mental verarbeiten!“ Und das schaffte sie in einer wahren Meisterleistung! „In den steilen Trails konnte ich zu den Kenianerinnen aufschließen und habe dabei gemerkt, dass es einfach sehr gut lief. Vor allem in den Steilpassagen konnte ich das Tempo beibehalten….!“

Für die EM-Zweite Scout Adkin gab es trotz starker 1:24:05 Stunden als Vierte auf dem Siegerpodest nur einen Nebenplatz, denn hinter Nina Engelhard belegten die run2gether-Läuferinnen Philaris Kisang und Gloria Chebet die Plätze zwei und drei. Hinter Adkin und der Weltranglistenersten Njeru kam mit der früheren Skilangläuferin Susanna Saapunki aus Finnland schon die nächste Topläuferin ein. Überraschend stark präsentierten sich die Tschechinnen Adela Vetcha (7.) und Hana Svestkova Struzkova (8.) sowie die Südtiroler U20-Läuferin Anna Hofer (9.), ehe mit Kirsten de Baey-Ruszin auf Rang zehn eine weitere deutsche Starterin nach 1:37:34 einlief. Die Triathletin des Tri-Teams Grassau) ist allerdings auch, allerdings eher regional, aus Berg- und Trailläuferin unterwegs, so gewann die in Marquardstein lebende aus dem Westdeutschen stammende im Vorjahr den Hochgernberglauf. Starke Zwölfte wurde Tina Fischl, die in 1:39:42 sogar die W45-Kategorie für sich entscheiden konnte.

Zusammen mit der Frauendritte Gloria Chebet fand sich Lukas Ehrle als U23-Sieger zunächst einmal auf dem Siegerpodest. Doch dies war eher eine Nebenplatzierung, denn der 20jährige EM-Vizemeister lief gegen die kenianischen Lauftalente ein begeisterndes Rennen, wenngleich „nur“ Rang fünf für den derzeit in den USA studierenden Schwarzwälder heraussprang. Hinter Atuya, Kiprotich und Saoli duellierte er sich praktisch das gesamte Rennen über mit dem für das italienische Team des Grappa-Fabrikanten Nannoni startende Paul Machoka – und mit dem kurz entschlossen in der Startliste auftauchenden Filimon Abraham.

„Ich wollte unbedingt einmal im Weltcup starten“, freute sich Lukas Ehrle über Rang fünf und dem kleinen Preisgeld aus dem üppigen Prämientopf. „Witzig vor allem, dass ich der erste Nicht-Kenianer im Ziel war!“ Auch wenn die derzeit die Weltrangliste nach ihren Starts in den USA anführenden Kenianer Patrick Kipngeno und Philemon Ombogo Kiriago (ru2gether-Obmann Thomas Krejci: „Nach den schweren Rennen in den USA sollten sie noch eine Pause haben!“) fehlten und eher international der zweiten Reihe zuzuordnenden Kenianer dominierten, zeigte sich Lukas Ehrle mit seiner läuferischen Vorstellung einverstanden. „Das Rennen war schon brutal, aber im Gegensatz zu Annecy eher belaufbar. Für mich ist dies eine Bestätigung, dass ich auf Anhieb bei den Männern auch international angekommen bin!“

Schon am Vortag war Lukas der einzige Nicht-Afrikaner, der beim Show-Rennen „King of Heiligenblut“ der kenianischen Phalanx Paroli bieten konnte. Im Ausscheidungsrennen (in jeder der 1,5 km langen Runde mussten 25 % der Starter ausscheiden) schaffte er auf der 6 km-Strecke Rang vier in 20:01 Minuten hinter Richard Atuya (18:38), Michael Saoli (19:05) und Josphat Kiprotich (19:30). Der britische Europameister Joe Steward war bereits offenbar mangels Einstellung in der ersten Runde eliminiert worden.

Appetit auf mehr ist bei Lukas Ehrle unverkennbar vorhanden, denn bereits in der kommenden Woche wird er bei der zweiten Weltcup-Station beim Montemuro Vertical Race in Protugal starten. „Ich glaube, diese Strecke liegt mir noch besser, da sie etwas kürzer ist und rein bergauf über 1000 Höhenmeter führt.

Den ersten und voraussichtlich letzten Berglaufstart der Saison bestand Filimon Abraham in einer schwierigen Saison mit Marathon- und Bahnorientierung mit Bravour. „Es hat heute viel Spaß gemacht. Vor allem das Duell mit Lukas…! lachte der Regensburger., der übrigens 2019 schon als Sieger am Grossglockner in die Historie des großartigen Laufes Eingang gefunden hat. Letztlich trennten ihn von Lukas Ehrle gerade einmal elf Sekunden.

Inmitten der internationalen Cracks bewegt sich mit Julius Ott ein weiterer deutscher Läufer. Nach dem Warm-up beim „King of Heiligenblut“ (Neunter) duellierte er sich mit dem Kanadier Remi Leroux, dem er letztlich als Fünfzehnter knapp unterlag. Stark zeigten sich übrigens die einheimischen Starter mit Manuel Innerhofer (Neunter) und Christof Hohenwarter (Dreizehnter), im weiten Feld der ambitionierten Läufer gab es übrigens auch ein Wiedersehen mit den einstigen ÖLV-Assen wie Robert Stark (1. M55) und Thomas Heigl (7. M40).

Trotz aller Zusatzschichten bei den widrigen Witterungsbedingungen durfte Organisator Michael Kummerer von der veranstaltenden MJK-Sportmarketing GmbH mit dem gelungenen Auftritt im weltweiten Berglauf-Circuit überaus zufrieden sein „Ein sehr erfolgreiches Grossglockner Mountainrun Wochenende liegt hinter uns. Topleistungen der Spitzenathleten wurde ergänzt mit einem Lauffest für die breite Masse. Über 1000 Teilnehmer waren an beiden Tagen mit dabei. Sowohl die Kinderbewerbe am Samstag wie auch das breite Teilnehmerfeld am Sonntag motiviert zu weiteren Akzenten im Sinne des Lauftourismus in Kärnten“. Ein Wiedersehen ist angesagt, dann hoffentlich wieder mit Bilderbuchwetter, wie es zuletzt 2023 war….