- Zwei bemerkenswerte Rennen innerhalb von 21 Stunden für Simone Raatz
- 45jährige Masters-Laufass gewinnt einen Tag nach EM-Bronze in Grosseto erneut den Hundseck-Berglauf in Bühlertal
- Trailspezialist Yannik Fuchs kann auch „rein bergauf“ und wird mit Tagessieg belohnt
Bemerkenswerte Raritäten sollten die 44. Auflage des Internationalen BGV-Hundseck-Berglauf des TV Bühlertal prägen. So gab es beim Re-Start nach Corona bedingter zweijähriger Zwangspause mit 116 Finishern den absoluten Minusrekord bei einer Veranstaltung, die im Verbund mit den Masters-Weltmeisterschaften 2012 schon einmal mit 1106 Teilnehmern „vierstellig“ war. Der am Folgetag terminierte Schluchseelauf mag schon zahlreiche Berglauffreaks von einem Start in Bühlertal abgehalten haben wie auch die nach wie vor nicht von der Hand zu weisenden Vorsicht Massenveranstaltungen gegenüber. Da war der 13jährige Yannis Wagner, der mit einem kontrollierten Sturmlauf von etwas mehr als einer Stunde seinem Vater Marco Wagner „Beine machte“ – oder der 90jährige Arne Haase, der freilich mit 1:32:04 Stunden „etwas länger“ unterwegs war. Oder die gelebte Inklusion, die der Turnverein Bühlertal mit der Lebenshilfe der Region Baden-Baden, Bühl und Achern pflegt. So ist eine kleine Gruppe mit einer Tanzvorführung direkt am Start in die Berglauf-Veranstaltung eingebunden.
Oder Simone Raatz, die gewiss mit über 1000 Kilometer per Flug und PKW aus dem toskanischen Grosseto die weiteste Anreise aller Teilnehmer zu verzeichnen hatte, aber mit der Bronze-Medaille der W45-Klasse bei den 10 km-Masters-Europameisterschaften ein höchst motivierendes Metall im Reisegepäck mitbringen konnte. „Wir sind direkt vom Flughafen Frankfurt hierher angereist und haben in Karlsruhe noch unsere Tochter Emmie eingepackt – und sind jetzt hier“, bekannte mit leichtem Lächeln die letzte Hundseck-Berglauf-Siegerin (des Jahres 2019) die außergewöhnliche Anreise. „Ich mag diesen Berglauf, auch wenn der letzte Streckenabschnitt mit vielen Steinen nun wirklich nicht mein Ding ist!“ Als Berglauf-Weltmeisterin ihrer Altersklasse (Telfes 2021) und vielfache deutsche Meisterin auf der Bahn, Straße, Cross und Berg bringt die Steuerfachwirtin allerdings eine läuferische Klasse mit, die auch einen Lauf mit etwas „angezogener Handbremse“ erlaubt. So wie eben am Mehliskopf hoch über dem beschaulichen, als exzellentes Berglaufdorf bekannten Bühlertal.
Mit etwas müden Beinen stand Simone zwar an der Startlinie, ließ zunächst die mitfavorsierten Sandra Kist-Boschetti und Franziska Schmieder gewähren, zog aber bereits nach zwei Kilometern das Tempo an – und holte sich nicht nur die Bergsprint-Prämie bei einer Schleife durch die Max-Grundig-Klinik, eine anerkannte Klinik für internistische und psychologische Medizin mit angegliedertem Check-Up-Zentrum, sondern auch nach 2019 erneut den Tagessieg. Diesmal in 54:09 Minuten – nach einem kleinen Sturzmalheur in besagter Steinpassage. „Natürlich war ich nach den 37:20 am Vorabend bei 28° Hitze noch nicht erholt, deshalb habe ich auch in den steileren Passagen meine Beine gespürt! Aber: Ich bin froh, dass ich das gemacht habe“, bewertete sie ihren Lauf und blickte mit sichtlicher Freude neben den Menü-Gutscheinen vor allem auf den Gutschein für den Gesundheits-Check in der Max-Grundig-Klinik im Wert von 1300,00 Euro.
Auf der inzwischen auf 9,9 km verlängerten Strecke mit 776 Höhenmetern sicherte sich die frühere MTB-Wettkampffahrerin Sandra Kist-Boschetti aus Neusatz bei Bühl in souveräner Manier nach 56:24 Rang zwei. „Das Rennen war natürlich anstrengend, zumal ich nach Simones Antritt meinen eigenen Rhythmus gefunden hatte. Aber mir macht Berglaufen inzwischen so viel Spaß, dass ich es nicht missen möchte. Vor allem das Training ist schneller herum als das doch weitaus zeitintensivere Radtraining. Gerne komme ich natürlich nach Bühlertal, da hier 2018 meinen ersten Berglauf bestritten habe!“
Schritt für Schritt wird sich die talentierte Franziska Schmieder wieder gewohnte Leistungssphären heranarbeiten müssen, denn vor einem Jahr hatte sie sich bei einem Trainingsunfall einen Mittelfußbruch zugezogen. „Heute war ich schon nach zwei Kilometern platt“, gestand die 23jährige der LG Brandenkopf. Noch am Vorabend hatte sie noch eine Lauftechnik-Einheit mit dem fünfmaligen deutschen Berglaufmeister Timo Zeiler in Zell absolviert. „Vor allem die Sprints haben mir doch stärker zugesetzt als ich dachte….“. Mit 57:09 Minuten wurde sie als Dritte am Mehliskopf-Aussichtsturm registriert.
Die W40-Siegerin Chrstine Poyet holte sich Rang vier vor Nadia Dietz. Erstaunlich einmal mehr Jutta Bendel, die als Frauenzehnte zugleich Siegerin der W60-Kategorie wurde.
Bei den Männern stellte sich der eigentliche Trailspezialist Yannik Fuchs vor, der für die Lauffreunde in Freiburg (LiF), einem vor zwei Jahren gegründeten Verein, startet. „Natürlich habe ich mit einem Podestplatz geliebäugelt, auch wenn mir die meisten der Teilnehmer nicht bekannt waren“, ordnete der 30jährige seine persönlichen Chancen ein. Aber mit zunehmender Streckenlänge konnte er sich von Roland Golderer und letztlich auch von Theo Fehrenbach lösen und mit 46:13 Minuten einen ungefährdeten Sieg erlaufen. „Nach dem Chiemgau-Trail, den ich als Zehnter beendete, wußte ich natürlich nicht, ob mir dieser Marathon noch in den Beinen stecken würde. Aber die Berge liegen mir, bergauf deutlich besser als bergab!“ Der Freiburger hat in dieser Saison allerdings einige ferne Ziele vor Augen, nämlich Start bei den Golden Trail Series. Mit sicherlich weitaus mehr (allerdings kumulierten) Höhenmetern als jene 776 zum Mehliskopfturm hinauf.
Fünfzig Sekunden dahinter dann Theo Fehrenbach, der nahe Titisee-Neustadt zuhause ist und logischerweise am Folgetag auch beim Schluchseelauf startete – und dort Achter wurde, gefolgt vom M45-Ersten Roland Golderer, der mit seinem neuen verein Gazelle Pforzheim in bewährten (Platz-)Gefilden unterwegs ist und wie 2019 Dritter werden konnte. Die M40er Andreas Crivellin und Patrick Hartmann belegten die Plätze vier und fünf. Schon auf Position zehn tauchte mit Thomas Bauer nach 55:16 Minuten der Schnellste der erneut stark besetzten M60 auf, wo auch Joachim Becht und Jürgen Binder noch unter der Ein-Stunden-Marke blieben.
Sowohl die TVB-Vorsitzende Susi Seebacher als auch Hundseck-Berglauf-Chef Rolf Fischer und dessen Vorgänger Jürgen Brügel setzen auf 2023, wenn bei hoffentlich gewohnter Normalität und Terminentzerrung wieder deutlich mehr Teilnehmer nach Bühlertal kommen – zum kleinen Jubiläum.