Überzeugender Auftritt der deutschen Berglauf-Masters bei den Weltmeisterschaften im Stubaital
- 15 Mal ertönte die deutsche Nationalhymne
- Herausragende Leistungen von Simone Raatz (W45) und Benedikt Hoffmann (M35)
- Weitere WM-Titel für Kerstin Esterlechner (W40), Olaf Schober (M45), Winfried Huber (M60) und Helmut Reitmeir (M75)
Im Stubaital versteht man das Berglauf-Handwerk. Mit zwei Weltmeisterschaften (1990 und 1996), den Europameisterschaften 2009 und den Masters-Weltmeisterschaften 2014, einer Vielzahl von Weltcup-Rennen und dem stets international besetzten Schlickeralmlauf wissen natürlich der rührige Organisator SV Telfes und der Tourismusverband Stubai in Tirol am besten, was Bergläufer vor allem schätzen. Diese unschätzbaren Erfahrungen konnten natürlich in vorzüglicher Weise in die 20. Berglauf-Masters-Weltmeisterschaften eingebaut werden, die ein Jahr nach der Corona-Pandemie bedingten Absage nun am ersten September-Wochenende in Telfes durchgeführt werden konnte. Herrliches Spätsommerwetter „heizte“ zusätzlich die ohnehin schon exzellente Stimmung an – sodass diese Titelkämpfe zu einer exzellenten Werbung für den Berglaufsport und gewiss auch für die Sommer- und Winterdestination Stubaital wurden.
Kinderlauf, Wiesenrun im Vorprogramm, die Eröffnungsfeier mit anschließendem Abendessen für die Athleten, das prall gefüllte Meisterschaftsprogramm mit dem Open Race zum Auftakt bis hin zur bestens getakteten Siegerehrung im Pavillon-Festzelt im Dorfzentrum von Telfes – es hätte nicht besser für die Macher um OK-Chef Andreas Stern laufen können. Mit über 600 Startern aus 21 Nationen gab es beiden 20. Berglauf-Masters-Weltmeisterschaften ein starkes Meldeergebnis. Mit 211 Meldungen stellte dabei Deutschland das größte Kontingent vor Italien und dem Gastgeber Österreich. Aber nicht nur das: Die deutschen Masters-Starter erwiesen sich bei herrlichen Laufbedingungen entweder vom Dorfzentrum in Telfes oder von der Mittelstation Froneben der Kreuzjochbahn hinauf zur Bergstation auf 2136 m mit 6 Einzeltitel und 9 Mannschaftssiegen vor Italien (9) und Österreich (5) als erfolgreichste Nation.
„Die gemeinsame Durchführung der Berglauf-Masters-Weltmeisterschaften ist eine Win-Win-Situation für die Athleten und unsere Organisationen, die WMRA als Weltverband der Bergläufer und die WMA, verantwortlich für die Masters-Wettbewerbe der Leichtathletik“, zog Margit Jungmann, die WMA-Präsidentin ein erstes Fazit. „Für mich ist dies in vielfacher Hinsicht eine beeindruckende und motivierende Meisterschaft auf Weltniveau, vor allem angesichts der unglaublich schönen Bergkulisse. Das Sahnehäubchen ist natürlich das herrliche Spätsommerwetter hier im Stubaital!“ Die WMA-Präsidentin war direkten Wegs vom finnischen Tampere, dem Austragungsort der Leichtathletik-Masters-weltmeisterschaften 2022, ins Stubaital gereist und bereute in keiner Minute diesen Kraftakt. „Nach einem Besuch, allerdings in anderer Funktion, bei den Berglauf-Masters-Weltmeisterschaften in Bühlertal ist dies erst mein zweiter Berglauf, den ich erleben durfte. Und ich muss sagen: Es war für mich eine tolle Aufnahme in die Berglauf-Familie. Nicht zuletzt auch durch viele intensive Gespräche!“ Und knüpfte an ihre Eindrücke auch ein dickes Lob an die Organisation aus: „Das LOC hat einen tollen Job gemacht. Andreas Stern insbesondere, der trotz aller Anspannung am Veranstaltungstag sogar mitlaufen konnte!“ Am Kreuzjoch durfte die WMA-Präsidentin sogar einen WM-Titel mit besonderem Ausrufezeichen bejubeln, denn die aus ihrem saarländischen Heimatverein LC Rehlingen stammende Martina Schumacher wurde als Einlaufvierte im Verbund mit Simone Raatz (Siegerin) und Monica Carl (Dritte) Mannschafts-Weltmeisterin. Und dies bei ihrem ersten Berglauf überhaupt! Selfie und die frohe Botschaft gingen umgehend dank der modernen Technik in die Heimat.
Die WMA-Präsidentin Margit Jungmann zählte natürlich zusammen mit den WMRA-Repräsentanten Wolfgang Münzel (Deutschland) und Tomo Sarf (Slowenien) zu den ersten Gratulanten bei der harmonischen und kurzweiligen Siegerehrung, die in einerRekordzeit von etwas mehr als einer Stunde im Pavillon-Zelt auf der Festwiese in Telfes durchgeführt wurden. Insgesamt fünfzehn Mal erklang dabei die deutsche Nationalhymne, gefolgt von der italienischen und der Hymne des Gastgebers. Voller Stolz präsentierten dabei die Medaillengewinner ihre Trophäe, samt der einen oder anderen Freudenträne.
Auf der 7,4 km langen Strecke von Froneben zur Bergstation Kreuzjoch mit 775 Höhenmetern zeigte Simone Raatz als Tagesschnellste aller Läuferinnen einmal mehr ihre läuferische Klasse. Die überaus anspruchsvolle Strecke bewältigte die 46jährige Darmstädterin in 44:29 Minuten und hatte dabei in der Masterskategorie W45 fast zwei Minuten Vorsprung auf Giovanna Ricotta (Italien) und Monica Carl (LGWelfen/ 47:10). Diese herausragende Leistung ist besonders erstaunlich, da die 45jährige im März noch an der Bandscheibe operiert wurde und folglich nur eine kurze Vorbereitungszeit hatte. „Für mich war es schon beruhigend, dass ich schon imersten Anstieg nach dem Start in Führung lag und das Rennen etwas entspannter gestalten konnte“, so die in Karlsruhe lebende Mastersläuferin im Ziel. „Aber auch fürmich war es ein hartes Rennen, das ich aber angesichts der kurzen Vorbereitungszeit nur mit umfangreichen medizinischen Begleitmaßnahmen bestens durchstehen konnte!“ Töchterchen Emmie jubelte schon in der steilen Schlussserpentine: „Mami ist Weltmeisterin!“
Die exzellente Präsentation der deutschen Läuferinnen in dieser Altersklasse rundetedie eingangs bereits genannte Martina Schumacher als Vierte (48:30), Jutta Brod als Sechste (51:59) und Monika Heiss als Achte (53:01). Angesichts dieser herausragenden Einzelleistungen war Mannschaftsgold eher nur noch Formsache, mit 8 Punkten langen die Deutschen klar vor Italien (24) und Rumänien (40).
Zwei weitere WM-Titel gab es für die deutschen Vertretungen in der W55 mit Josefa Matheis (3.), Gertrud Ott (4.) und Sabine Kraus (7.) und 14 Punkten vor Italien (25) und Österreich (28) und in der W35 mit Sabine Nagel (3.), Laura Hastreiter (5.) und Johanna Oberauer (7.) und 15 Punkte vor Rumänien (23) und Österreich (37).
Die zweitschnellste Zeit über alle Jahrgänge hinweg lief die W40-Siegerin Kerstin Esterlechner vom PTSV Rosenheim mit 44:49 Minuten, dicht gefolgt von der W50-Ersten Timea Merenyi (Ungarn/ 44:59). Kerstin gewann mit einer überzeugenden Einzelleistung den Titel vor den als Favoritinnen gehandelten Charlotte Cotton (45:20) und Karin Freitag (46:31). Auch sie wurde Doppelmeisterin, denn im Verbundmit Ulrike Schwalbe als Siebte (51:05) und Sonja Deiß als Achte (54:06) gab es auchhier Mannschaftsgold.
Zum Auftakt der Meisterschaftsläufe zeigte die 67jährige Blanka Paulu (Tschechien) mit einem Start-Ziel-Sieg der gemeinsam mit den Männern und Frauen der Kategorien 65, 70 und 75 eine exzellente Leistung und legte mit 54:38 Stunden ein starke Endzeit vor, die erst von der W60-Siegerin Paula Knoll-Rumpl (Österreich) mit 51:46 unterboten wurde. Für die Gastgeber war zuvor bereits Ulrike Hoffmann in der W70 mit 1:01:07 Stunden erfolgreich. In dieser Masterskategorie ließen sich die drei deutschen Läuferinnen Ingrid Koal (2.), Irmgard Olma (3.) und Elisabeth Springer (7.)den Sieg mit 12 Punkten vor Österreich (15) nicht nehmen. Zum Auftakt holte HelmutReitmeir in der M75 den ersten deutschen Einzelsieg, dem noch fünf weitere folgen sollten.
Bei den Männern überraschte der in Innsbruck lebende Brite Thomas Roach als M40-Sieger mit der Tagesbestbestzeit von 58:05 Minuten, einer Distanz von 11,5 kmund 1157 Höhenmeter von Telfes aus zur Bergstation Kreuzjoch. Der Uni-Professor hatte sich nicht zuletzt wegen der räumlichen Nähe spezifisch auf dieses Ereignis vorbereitet, sodass sein Erfolg keineswegs überraschend kam. Vor kurzem wurde er erst österreichischer Staatsmeister in seiner Altersklasse. Seinem Engagement war es offenbar zu verdanken, dass auch der Teamsieg an Groß-Britannien ging. Mit 16 Punkten fiel dieser allerdings knapp aus, denn die deutschen Läufer Johannes Hillebrand (4.), Marco Sturm (7.) und Thomas Kotissek (8.) folgten mit 19 Punkten dahinter.
Nach zwei Operationen (Haglund und Meniskus) kehrte Winfried Huber wiedererstarkt in die Laufszene zurück – und sogleich in die Erfolgsspur. Der HNO-Arzt aus Holzkirchen ist übrigens der Schwiegersohn von Lauflegende Anton („Toni“)Gorbunow und brillierte mit einem überzeugenden M60-Sieg in 43:11 Minuten über die 7,4 km-Strecke vor Gerard Maloney (45:10) und Luigi Bortoluzzi (45:15). „Die Form habe ich mir durch Kinderwagenschieben geholt“, scherzte der 61jährige im Dress des PTSV Rosenheim. „Eigentlich war ich schon 2020 wieder beinand, aber da kam Corona…“, die Früchte seines Trainings erntete er somit mit einem Jahr Verspätung.
Auf der für die älteren Masters-Kategorien kürzeren Distanz von Froneben über 7,4 km war der Italiener Franco Torresani mit 42:25 Minuten und Sieger der M55 Tagesschnellster und bereitete den Boden für den klaren Mannschaftssieg vor Deutschland (Thomas Blum, Markus Riefer, Josef Attenberger) und Österreich.
Einen weiteren bayerischen Sieg holte Olaf Schober vom WSV Otterskirchen in der M45-Klasse und 1:03:32 Minuten – und über vier (!) Minuten Vorsprung auf den Österreicher Markus Ulm (1:08:08) und mit Carsten Brod (1:08:29) und Alexander Barnsteiner (1:08:40) zwei weiteren Deutschen, sodass Mannschaftsgold mit lediglich 8 Punkten vor Tschechien (25) und Italien (29) eine sichere Angelegenheit wurde.
Deutsche Läufer dominierten den finalen M35-Wettbewerb. Auch wenn Benedikt Hoffmann (TSG Heilbronn) nur mit der zweitschnellsten Laufzeit über die Langdistanz mit 59:38 Minuten die steile Rampe zum Ziel hinauflief, er war der klare Sieger der jüngsten Masterskategorie. Wegen der Geburt seines Sohnes Moritz vor 14 Tagen, hatte der für die TSG Heilbronn startende, aktuell bester deutscher Bergläufer, erst kurzfristig für die Masters-Weltmeisterschaften gemeldet. „Für diese kurzfristige Entscheidung lief es ausgesprochen gut, das ist bei meinem dritten Start auf der Schlickeralmstrecke sogar meine beste Endzeit!“ Nach überaus erfolgreichenLaufwochen mit Siegen beim Swissalpine in Davos, der Kurzdistanz beim Eiger Ultra Trail und dem Glacier 3000 in Gstaad steht bereits in der Folgewoche eine Herkulesaufgabe mit dem Start beim Jungfrau-Marathon bevor. „Ich musste heute nicht alles abrufen, um hier zum Titel zu kommen. Angesichts des bevorstehenden Jungfrau-Marathon war dies aber eine wichtige Tempospritze…“.
Zweieinhalb Minuten dahinter jubelte Nationalmannschaftskollege Marcel Krieghoff über die Vizemeisterschaft („Dies war mein erster Wettkampf in diesem Jahr. Dafür lief es sehr gut…!“) – wobei Benedikt und Marcel den Grundstock zum Mannschaftssieg im Verbund mit Florian Kerber (8.) mit 12 Punkten vor dem Gastgeberland (21), für das Bruno Schumi als Fünfter das beste Einzelresultat in dieser Kategorie einbrachte.
„Wir sind megaglücklich, dass wir so viele Läufer begrüßen konnten“, so Andreas Stern, der übrigens als Elfter der M55-Kategorie ein bemerkenswertes Ergebnis ablieferte und sich plötzlich als Bronzemedaillengewinner mit dem Österreich-Team auf dem Siegerpodest wiederfand. Die Mastersläufer aus 21 Ländern waren nicht minder glücklich, endlich wieder einen Lauf auf hohem Niveau und bester Wettkampfatmosphäre bestreiten zu dürfen, auch wenn es vermutlich wegen der Einreise-Bestimmungen bis auf wenige Ausnahmen (u.a. USA, Japan) eher „nur“ Europameisterschaft waren.