Im italienischen Arco geht es auf urbanen Pfaden um Europameistertitel im Berglauf – Sind Treppenpassagen, kurze Rampen, steile Auf- und Abstiege auf historischem Pflaster, engen Gassen und Naturtrails die Zukunft des traditionsreichen Berglaufs?
Wer bislang der Auffassung war, dass internationale Meisterschaften auf klassischen, zumeist traditionellen Strecken, die in zahlreichen Veranstaltungen mit hochkarätiger Besetzung getestet wurden, durchgeführt werden, der wird spätestens am Samstag (2. Juli) bei den European Mountain Running Championships in Arco am Gardasee eines Besseren belehrt. Der Europäische Leichtathletik-Verband (European Athletics) hat Arco und dem ausgefallenen Parcours den Zuschlag erteilt. Gelaufen wird dabei auf einem bergauf-/bergabführenden Stadtkurs, der allerdings dem im Trend der Ausdauerfreaks liegenden Urban Race in Großstädten ähnelt. Treppenpassagen und Rampen werden dabei in Arco ebenso integriert wie auch Naturwege oder das historische Pflaster enger Gässchen. Was fehlt, das sind die rustikalen Hindernisse wie Autowracks, Gerüstpassagen oder irgendwelche Schlammpassagen. Aber um es auf den Punkt zu bringen, wenn schlussendlich Höhendifferenzen zwischen 200 pro Runde und 750 Meter in der Addition von fünf Runden zu bewältigen sind, dann hat das mit dem traditionellen Berglauf nur noch sehr begrenzt zu tun.
Die Startlisten lassen nur eine sehr differente Beurteilung über die Resonanz dieser außergewöhnlichen Europameisterschaften zu, die im mittelalterlichen Städtchen nahe des Gardasees, das vor allem durch die „Rock Masters“, einem mit Weltgeltung bedachten Freeclimbing-Event, im Sport einen Namen hat, ausgetragen werden. Die zur Weltspitze zählenden Andrea Mayr (Österreich) und Martina Strähl (Schweiz) fehlen dabei wie auch der WM-Dritte Robbie Simpson (Groß-Britannien), dafür sind die Protagonisten des Bergauf-bergab-Laufens aus Italien, Frankreich oder Groß-Britannien mit starken Teams zur Stelle. Erstaunlich ist das Aufgebot des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), wo man nach jahrelanger Zurückhaltung diesmal in allen vier Konkurrenzen mit sechs Athleten zur Stelle ist – und dabei Läufer nominiert hat, die größtenteils im Berglauf bislang noch keine Rolle gespielt haben. Das DLV-Aufgebot: Männer (12,3 km/ HD 750 m): Maximilian Zeus, Konstantin Wedel, Felix Thum, Frauen (8,5 km/ HD 500 m): Domenika Mayer, Junioren (8,5 km/ HD 500 m): Luca Hilbert, Juniorinnen (4,0 km/ HD 220 m): Nada Balcarczyk.
Bei den Männern spricht vieles für eine Neuauflage des Duells zwischen Weltmeister Italien und dem WM-Dritten Groß-Britannien, allerdings sollte Frankreich nicht unterschätzt werden. In der Einzelwertung steht mit dem Vize- Weltmeister und Europameister Bernard Dematteis, Xavier Chevrier und Alex Baldaccini (alle Italien), Andrew Douglas (Groß-Britannien), den Franzosen Julien Rancon und Emmanuel Meyssat, den Schweizern um Vize- Europameister David Schneider und Christian Mathys und dem mehrfachen Welt- und Europameister Ahmet Arslan (Türkei) gleich ein halbes Dutzend Medaillenanwärter an der Startlinie. Bei den Junioren ist die Türkei mit dem Weltmeister Ferhat Bozkurt und dem WM-Dritten Mustafa Göksel favorisiert, auf heimischem Terrain wollen natürlich die Gastgeber mit dem WM-Vierten Davide Magnini im Kampf um die Medaillen ein wichtiges Wort mitsprechen.
Bei den Juniorinnen fehlt mit Sarah Kistner die beste europäische U20-Bergläuferin, da sie um Bergauf-bergab- Rennen einen weiten Bogen macht. Aus dem deutschen Goldteam von Casette di Massa (WM) und Porto Moniz (EM) ist lediglich die Münchenerin Nada Balcarczyk dabei, die bei den letzten internationalen Titelkämpfen allerdings mit den Plätzen 22 und 11 nicht überzeugen konnte. Favorisiert ist die Tschechin Michaela Stránská, die als WM-Dritte und EM-Zweite jeweils hinter Sarah Kistner nächstbeste Europäerin war. Bei den Frauen ist die WM-Zweite Emily Collinge im Verbund mit ihrer Teamkollegin Sarah Tunstall, den Italienerinnen um die frühere Weltmeisterin Alice Gaggi und Ivana Iozzia im Favoritenkreis, hinzu kommen noch die Tschechin Pavla Schorna- Matyásová und die Französin Christel Dewalle.