Die Legende ist zurück

Bei der gelungenen Rückkehr des Berglauf- und Trailpioniers Swissalpine in Flims Laax dominierten Adrian Castrischer (K82) und Christian Mathys (K43) mit jeweils großem Vorsprung

Flims Laax ist das neue Davos. Gemeint ist dabei natürlich der Ortswechsel des Berg- und Trailpioniers Swissalpine von der höchst gelegenen Gemeinde Davos nach Flims Laax im Bündner Oberland. Mit einem umfassenden Angebot von Trails zwischen 82 km und 14 km ist der Swissalpine nach einer kurzen kreativen Pause zurück in die Szene gekehrt, knapp 700 Registrierungen geben den Organisatoren der Agentur Tuffli Events Recht. „Die Anmeldezahlen haben uns positiv überrascht. Statt der erwarteten 400 Teilnehmenden waren es 710“, so Livia Schröpfer, die Projektleiterin des (neuen) Swissalpine. Doch auch Andrea Tuffli, der Seniorchef der Agentur und „Erfinder des Swissalpine“ ließ es sich natürlich nicht nehmen, live vor Ort das Comeback seiner Idee, die 1986 als „Rennen der Verrückten und Spinner“ abgetan wurde, zu erleben. Und wird sicherlich die eine oder andere Idee aus dem weitläufigen Gelände zwischen Flims, Laax und Falera in der Region Surselva bereits entwickelt haben.

Wir erinnern uns, die Anfänge des Swissalpine gestalteten sich schwierig, die Teilnehmerzahlen wuchsen jedoch im Boom der aufkommenden Berg- und Trailszene zusehend. Es wäre gewiss vermessen, die Neugestaltung des Swissalpine mit den aktuellen Großen der Szene vergleichen zu wollen. Spektakuläre Landschaftsabschnitte wie die Rheinschlucht oder das Martinsloch gibt es aber auch in der Region Surselva. Die einstigen Swissalpine-Herausforderungen Sertigpass, Scalettapass und Keschhütte heißen heuer Bargis Hochtal, Segneshütte und Crap Sogn Gion. Geblieben ist der Lauf durch eine reizvolle, zumeist hochalpine Landschaft, aber auch der Mix für sportlich Ambitionierte bis hin zu moderaten Running- und Hiking-Strecken.

Für Auswärtige sind vor allem die rätoromanischen Bezeichnungen, die in Flims und Laax durch das hier gebräuchliche Sursilvan gewöhnungsbedürftig sind. Was jedoch bleibt, das ist die reizvolle Landschaft, wenngleich zunehmend geprägt durch den prosperierenden Tourismus, vor allem sichtbar im weitläufigen Skigebiet an der Bergstation Crap Sogn Gion, wo die Freestyle-Boarder heimisch sind und die mit moderner „Digital Camopuflage“-Optik versehene Außenfassade der Station Galaaxy, die nun einmal rein gar nichts mit herkömmlichem alpinem Chic zu tun hat, beleben. Wer sich auf 2250 Metern richtig ausgetobt hat, der findet in dieser Space Station mit Hotel und Hostel, mit abwechslungsreicher Restauration – und auch an der „Wall of Wax“ mit 14.000 Schallplatten die rechte Entspannung.  

Zeit zum Entspannen dürften die 650 letztlich gestartete Trailrunner unterwegs kaum gehabt haben, auch wenn so mancher Finisher im face-to-face-Gespräch von (zu) wenigen technischen Elementen sprach. Gravierend zudem die zeitlich weit auseinanderklaffenden Plätze im Spitzenbereich, gleich ob über die 80,4 km mit 4179 Höhenmetern der K82- oder über die 42,8 km mit 1765 Höhenmetern der K43-Strecke.

So lief Adrian Castrischer als K82-Sieger nach 9:11:04 Stunden über die Ziellinie im Sportzentrum Prau la Selva und musste über 49 Minuten warten, bis mit Thomas Sutter der erste Konkurrent eintraf. Der Berner Umweltingenieur in der Fachstelle Fuß- und Veloverkehr der Stadt Bern ist allerdings in der Ultraszene eine bekannte Größe, schließlich war 35jährige bereits schon Vierter der Schweizer Trailmeisterschaften über 70 km in Val d’Illiez und auch beim Wildstrubel Ultra als Vierzehnter gut platziert. Beste Erinnerungen an starke schwedische Läufer hat man gewiss beim Swissalpine schon immer gehabt, schließlich gewann mit Jonas Buud ein Schwede gleich sechsmal über die Königsdistanz. Jüngstes Beispiel ist nun Daniel Bränholm auf Rang drei, allerdings auch schon satte 1:04 Stunden hinter Adrian Castrischer zurück. Der Deutsche Robert Wiedekind sicherte sich als Gesamtvierter übrigens die M40-Klasse. Als Siebter kehrte mit dem Neuseeländer Vajin Armstrong ein Swissalpine-Wiederholungstäter (zum siebten Mal) zur Veranstaltung zurück und musste nach 10:58:17 Stunden als Gesamtsiebter erkennen, dass der neue Swissalpine „much more harder than Davos“ sei. Reizvoll jedenfalls befand der 45jährige Neuseeländer sein Duell mit dem sich als „Frischling“ bezeichnenden Robert Wiedekind, das fast drei Stunden dauerte, bis sich der in Bern lebende Robert im abwechslungsreichen Gelände bei Nagens absetzen konnte.

Nach 12:10:24 Stunden hatte Esther Dissler die Frauenwertung des K82 vor Isabelle Stich gewonnen, die mit 12 Minuten-Rückstand folgte. Lediglich vier Frauen konnten das Rennen beenden, andere wie die Deutsche Carmen Hildebrand mussten das Rennen vorzeitig beenden.

„Eine sehr schöne Strecke, sie war allerdings welliger als erwartet“, befand Christian Mathys als souveräner Sieger des K43. „Ich schätze die Strecke auf insgesamt 2000 Höhenmeter und nicht wie angegeben 1765 Höhenmeter!“ Der zu den besten Schweizer Berg- und Trailläufern zählende Bieler klagte allerdings über müde Beine, begründete dies allerdings mit einer zu geringen Regeneration nach seinem in Streckenbestzeit gewonnenen Bernina Gletscher Marathon zwei Wochen zuvor. „Diesen Fehler werde ich sicherlich nicht in dieser Woche machen, denn bereits am Samstag möchte ich beim Stockho9rn-Halbmarathon starten!“ gestand Christian Mathys schmunzelnd. Betrug sein Vorsprung am Bernina noch 44 Minuten, begnügte sich der 38jährige in Flims mit allerdings nicht minder beeindruckenden 21 Minuten vor Marcel Ott und dem Polen Krzysztof Szcerba, der allerdings bereits 36 Minuten zurück lag.

Ein „echter Norddeutscher“, inzwischen aber in Bielefeld lebend, landete mit Max Koopmann auf Rang zwanzig und freute sich vor allem, wenn es bergauf ging. „Ich laufe gerne uphill“, das kann er vor allem dann, wenn er bei seinem Bruder in der Schweiz trainiertl Aus der „Bielefelder Ecke“ waren auch Sonja und Detlef Kley von Teuto Run and Fun angereist, eher aber auf der Rückreise aus Südtirol. Beim Swissalpine sind beide „alte Hasen“ schließlich waren sie beim Jubiläum 2010 schon dabei. Und leiten eine Laufgruppe in der Vorbereitung auf den ebenfalls legendären Hermannslauf. Mit Hallo begrüßten sie dabei die „zufällig“ vorbeischauenden Thorsten aus Hamburg und Christoph aus Marsberg, die beide die K82 meistern wollten. Mit dabei auch Wolfgang, ein Swissalpine-Urgestein seit 1988, mit Wohnort Hamburg.  

Die Legenden leben, das jedenfalls viel auf dem gut beschickten Campingplatz im Sportzentrum auf. Erinnerungen aus vielen Swissalpine-„Schlachten“ wurden angesichts der vielen und vor allem verschiedenen Eventshirts wach und waren vielerorts ein Blickfang. Auch bei Martin aus Ulm, der seit seinem Einstieg 2017 beim LGT Marathon „Blut geleckt“ hat und beim Swissalpine 2018 bereits in Davos am Start war. Im Ursprung war er als BaWü-Kadertrainer im Triathlon unterwegs („Da ist mir ein 15jähriger Bub namens Sebastian Kienle untergekommen“) und setzte dann mit vermehrt Starts bei den Klassikern der Szene wie dem Eiger Ultra, dem Jungfrau-Marathon oder beim Glacier 3000 eigene Akzente.

Bleibt noch ein Blick auf die schnellsten Frauen im K43. Mit knappem, aber sicherem Vorsprung setzte sich dabei die US-Amerikanerin Isabel Lane als Gesamtelfte des Starterfeldes nach 5:04:39 Stunden durch. Das Interview jedoch führte sie in deutscher Sprache, schließlich wuchs die 26jährige nahe Zürich auf und besuchte dort eine internationale Schule. Auch wenn sie inzwischen in Seattle Immunologie studiert und dabei den Schwerpunkt Krebsforschung gewählt hat, findet sie ausreichend Zeit, um Ultraläufe zu bestreiten. Und einen ihrer Starts führte sie übrigens auch nach Davos – und nun auch nach Flims. „Der Rennverlauf war wirklich spannend, man konnte sich nie sicher sein, ob nicht Svenja oder Tanja wieder aufschließen würden“.

Lediglich 2:05 Minuten zurück folgte auf Rang zwei Svenja Moser, die sich für ihren Aussteiger beim PIUZ in der Vorwoche rehabilitieren wollte. Und dies auch eindrucksvoll zeigte. Als erklärtes Saisonziel nennt die 32jährige aus Füssen im September den Wild50 in Crans Montana. Auf Augenhöhe blieb ihr lange Zeit Tanja Lehmann, die eigentlich aus Zell am Harmersbach stammt und den Brandenkopf als ihren Hausberg bezeichnet, aber beruflich in Wädenswil lebt. Und hat ebenfalls ein großes Ultrarennen im weiteren Saisonverlauf im Visier: den KAT über 80 km. „Uphill waren Svenja und ich gleichstark, im eher Flachen ist sie mir dann aber etwas weggelaufen. Für mich gilt das Motto: Je technischer, desto besser!“

Und lassen wir zum Schluss der gelungenen Neuauflage noch einmal Livia Schröpfer zu Wort kommen: „Das Feedback der Läufer war erfreulich positiv. Viele lobten die Strecke und die beeindruckende Umgebung. Es gab auch Rückmeldungen mit Verbesserungsvorschlägen – nichts Dramatisches, aber dennoch wertvoll für uns!“ Und deshalb freuen wir uns schon auf den Swissalpine 2026.