Wenn ein Ex-Fußballer die Laufschuhe schnürt…
Jonas Haiß gewinnt die 33. Auflage des Hohenneuffen-Berglaufs in Beuren und – läuft auf Anhieb mit 39:52 Minuten eine sub-40er-Endzeit. Auch Simone Raatz debütiert am Hohenneuffen und gelingt mit 44:17 Minuten einen Sprung unter die 15 besten Leistungen aller Zeiten
Die Bestenliste der „Top 20“ beim Hohenneuffen-Berglauf in Beuren ist fürwahr namhaft, schließlich fanden auf der als kupiert zu bezeichnenden Strecke am Albtrauf der Schwäbischen Alb mit dem Ziel auf der 745 m hoch gelegenen Burgruine Hohenneuffen 1995 die deutschen Berglaufmeisterschaften mit den Siegen der seitdem als Streckenrekordler geführten Thomas Greger (34:49) und Gudrun de Pay (41:04). Es wäre sicherlich grob fahrlässig, die aktuellen Sieger mit den Maßstäben der Ergebnisse von 1995 zu messen, doch ein gewisser Gratmesser sind diese zweifellos. Wenn ein Ex-Fußballer den Burgruinen-Innenhof nach 39:52 Minuten erreicht, dann ist dies aller Ehren wert, schließlich haben eine sub-40er-Endzeit zuletzt Daniel Noll (38:17/2019) und Yossief Tekle (37:25/ 2018) erreicht, doch diese gehören, ohne Jonas Haiß zu nahe treten zu wollen, einer anderen (Berglauf-)Kategorie an. Mit 39:52 Minuten rangiert der bis 2021 als Mittelfeldspieler bei der in der Kreisliga A1 kickenden SGM SV Daugendorf/ TSG Zwiefalten (nahe Biberach) spielende Jonas Haiß „lediglich“ auf Position 75 „aller Zeiten“, doch für einen Quereinsteiger bedeutet diese Zeit höchste Wertschätzung.
Anders hingegen die Siegerzeit der erstmals in Beuren startenden Simone Raatz. Mit 44:17 Minuten rangiert die W45-Berglauf-Weltmeisterin im Trikot des ASC Darmstadt auf Rang 13 der Bestenliste in der 33jährigen Geschichte. Interessanter Weise zeitgleich mit der Tochter Bettina ihres ersten Lauftrainers beim TuS Neureut, Bernd Seith, die diese Zeit als Achte der deutschen Meisterschaften erreichte. Und für Simone bedeutete diese Endzeit zugleich auch Rang acht des Gesamteinlaufs aller 203 Starter bei der 33. Auflage des Traditionslaufes in der 3000 Einwohner großen Gemeinde im Landkreis Esslingen.
Doch genug der Statistiken und der Blick in die Analen des Hohenneuffen-Berglaufes, der zweifellos schon ruhmreichere Austragungen erleben durfte als jene 33. Auflage, die nach nächtlichen Regenfällen und einem Temperatursturz auf 6° zur Startzeit kaum Chancen zur Nachmeldung für die angebotene Originalstrecke eröffnete. So musste Frank Klass die im Computer verzeichneten 220 Meldungen als enttäuschend bezeichnen, denn selbst bei der der Corona-Pandemie offerierten Bergauf-bergab-Ersatzstrecke gab es mit 251 Startern mehr Teilnehmer. Angesichts des Aufwandes, den ein Veranstalter dieser Größenordnung aufzubringen hat, ist ungleich höher, zumal die als sichere „Einnahmequelle“ geltende, anerkannt leckere Kaffee-Kuchen-und-Maultaschen-Theke als Vorsichtsmaßnahme am Ende der Corona-Pandemie noch einmal gestrichen werden musste. Wenn dann noch die open air-Siegerehrung wegen des einsetzenden Starkregens in den überdachten Pausenhof der benachbarten Grundschule verlegt werden musste, kann dies alleine nur noch als gelungene Improvisation der 33. Auflage in die Historie des Hohenneuffen-Berglaufes eingehen.
„Für den frühen Sonntagmorgen bin ich mit dem Ergebnis natürlich sehr zufrieden“, bewertete der 30jährige Jonas Haiß seinen Auftritt in Beuren. „Nach meinem dritten Platz bei der Alb-Gold-Laufserie 2022 habe ich Blut geleckt und bin drangeblieben. In der Folge habe ich einige Wettkämpfe mitgelaufen, darunter auch den Bärlauchlauf im benachbarten Neuffen“, freute sich der als Hausmeister für Schulen und Kindergärten in der Gemeinde Zwiefalten angestellte Quereinsteiger, schließlich lief der heuer 30jährige bis im vergangenen Jahr ausschließlich dem runden Ball als konditionsstarker Mittelfeldspieler bei der SGM SV Daugendorf/ TSG Zwiefalten hinterher. Die Spiel- und Trainingsausfälle haben bei Jonas ein Übriges getan, sodass er sich auf seine läuferische Stärken besann. Schließlich lief er in Zwiefalten mit Fünfzehn schon beim seinerzeit noch ausgetragenen Berglauf mit. „Ich laufe gerne am Berg, deshalb sehe ich meine Vorteile eher im profilierten als im flachen Gelände“, offenbarte Jonas Haiß seine Vorliebe für das Landschaftslaufen. „Aber viel extremer als heute hätte es nicht sein dürfen! Zum Glück gab es durch die kleinen Flach- und auch Bergabpassagen immer wieder eine Verschnaufpause….“.
Darüber dürfte Simone Raatz eher leicht geschmunzelt haben, schließlich kann sie als Allroundläuferin zwar auch schnell auf der Straße unterwegs sein wie zuletzt als W45-EM-Dritte im 10 km-Straßenlauf im italienischen Grosseto, doch ihre Vorliebe hat sie im steilen Gelände, was sie im vergangenen Jahr als Berglauf-Weltmeisterin in Telfes unter Beweis stellen konnte, denn dabei ging es knapp 800 Meter bergauf zum Ziel auf 2136 m Höhe. „Mit meiner Endzeit kann ich wirklich zufrieden sein. Ich hatte einfach die falsche Schuhwahl getroffen, denn auf dem teilweise glatten Untergrund bin ich eher weggerutscht als vorangekommen!“ Was die Schuhwahl anging, da hatte auch die unweit der Hohenneuffen-Burg wohnende als Ultraläuferin bekannte Pamela Veith mit dem identischen Laufschuh-Modell „verwachst“. Von ihrer Premiere jedenfalls war Simone Raatz recht angetan, sodass sie dem Veranstalter umgehend versprach, im kommenden Jahr wiederum nach Beuren zu kommen. „Eigentlich wollte ich mich anfangs an der Konkurrenz orientieren, doch als Schnellstarterin habe ich einfach niemand gesehen, deshalb bin ich mit laufstarken Männern unterwegs gewesen. Der Lauf jedenfalls hat mir sehr gut gefallen, für die ‚Kälte‘ kann jedenfalls keiner etwas. Ich muss zugeben: Ich habe etwas gefroren….“
Mit 44:17 Minuten hatte das in Karlsruhe lebende Masters-Ass eine Messlatte gelegt, an die weder Karoline Binder (LG Filder) noch die Vorjahressiegerin Romy Spannowsky (TuS Metzingen) heranreichten, die mit 48:30 bzw. 48:58 Minuten doch einen beträchtlichen Rückstand im Zieleinlauf im Burghof aufzuweisen hatten. Dichtauf folgte mit Christine Sigg-Sohn nach 49:02 Minuten bereits die W55-Siegerin auf Rang vier des Gesamteinlaufs.
Erstaunlich groß auch der Vorsprung für Jonas Haiß (zudem Erster M30), denn der routinierte Bergläufer Johannes Hasselmann im Trikot der LG Brandenkopf folgt erst nach 42:40 Minuten und gewann damit zudem die M35. Im dichten Einlauf um Rang drei setzte sich schließlich Männersieger Christian Pfäffle (43:05) mit drei Sekunden Vorsprung auf Benjamin Kehrer (2. M30) durch, dahinter mit Florian Fischer (43:25) der M40-Sieger vor seinem Kategorienkonkurrenten Stephan Groß (43:35).
Bemerkenswert stark in Szene konnten sich die besten Jugendlichen setzen. Der aus Neuffen stammende Leon Schall schaffte als Gesamtneunter und Sieger der U20 mit 45:18 Minuten eine starke Endzeit. Dies gilt freilich auch für den U16-Sieger Yannis Wagner mit 49:27 Minuten, der schon zuvor beim Hundseck-Berglauf in Bühlertal sein Berglauf-Talent unter Beweis stellen konnte.